Kinasehemmer Arzneimittelgruppen ZytostatikaKinasehemmer sind Arzneimittel, welche an Kinasen binden und ihre Funktion hemmen. Dabei handelt es sich um Enzyme, welche bei der Entstehung, der Aufrechterhaltung und der Ausbreitung von Krebserkrankungen im Körper beteiligt sind. Die Wirkstoffe werden hauptsächlich zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt, zum Beispiel bei Lungenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs und Leukämie. Weil sie selektiv und gezielt in die auslösenden Prozesse eingreifen, sind sie tendenziell besser verträglich als traditionelle Zytostatika. Trotzdem ist auch bei Kinasehemmern mit Nebenwirkungen zu rechnen.
synonym: Kinase-Inhibitoren, Proteinkinase-Inhibitoren, PKI, Tyrosinkinasehemmer, Tinibe
HintergrundKinasen (Phosphotransferasen) sind eine grosse Familie von Enzymen, die auf und in Zellen an der Weiterleitung und Verstärkung von Signalen beteiligt sind. Sie üben ihre Effekte aus, indem sie ihre Substrate phosphorylieren, d.h. den Molekülen eine Phosphatgruppe hinzufügen (Abbildung). Kinasen tragen komplizierte Namen, die in der Regel abgekürzt werden: ALK, AXL, BCR-ABL, c-Kit, c-Met, ERBB, EGFR, FLT, HGFR, JAK, KIT, MET, mTOR, PDGFR, PI3, PKC, RAF, RET, ROCK, ROH, RON, SCF, SRC, TIE, TK und VEGFR.
Heute ist bekannt, dass eine Störung in diesen Abläufen, zum Beispiel eine unkontrollierte Aktivierung der Kinasen, zu Krebs führen kann. So werden beispielsweise die EGF-Rezeptoren (Epidermal Growth Factor Receptors) bei Lungenkrebs und Brustkrebs vermehrt gebildet. Kinasen sind an der Entstehung, am Überleben, an der Gefässneubildung und der Ausbreitung (Metastasierung) von Tumoren beteiligt. Eine tiefere Ursache dieser Störungen stellen Mutationen in den kodierenden Genen der Enzyme dar.
Wirkmechanismus der Kinasehemmer, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
WirkungenKinasehemmer (ATC L01XE ) haben zytostatische, antiproliferative, antitumorale und antiangiogenetische Eigenschaften. Sie binden und hemmen Protein- und Lipidkinasen in ihrer Funktion. Als Folge werden zum Beispiel Wachstumsreize nicht mehr weitergeleitet, die Krebszellen werden zerstört oder der Tumor wird nicht mehr mit ausreichend Blut und Nährstoffen versorgt. Viele Kinasehemmer sind nicht selektiv und hemmen mehrere der Enzyme. Demzufolge und weil dieselben Kinasen an verschiedenen Krebsarten beteiligt sind, können die gleichen Wirkstoffen häufig bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt werden.
IndikationenHeute werden die meisten Kinasehemmer zur Krebstherapie eingesetzt. Kinasen sind aber unter anderem auch an immunologischen, neurologischen, metabolischen und infektiösen Erkrankungen beteiligt und neben verschiedenen Krebserkrankungen sind weitere Anwendungsgebiete zugelassen. Zu den Indikationen gehören unter anderem:
- Lungenkrebs
- Nierenzellkarzinom
- Leberzellkarzinom
- Chronische myeloische Leukämie
- Brustkrebs
- Schilddrüsenkarzinom
- Rheumatoide Arthritis
- Weichteilsarkom
- Magen-Darm-Tumore
- Neuroendokrine Tumore
- Hauttumore, Melanom
Die meisten Kinasehemmer werden heute so entwickelt, dass sie nicht als Infusion verabreicht werden müssen, sondern von den Patienten selbst als Tablette oder Kapsel eingenommen werden können.
Wirkstoffe (Auswahl)- Alectinib (Alecensa®)
- Axitinib (Inlyta®)
- Brigatinib (Alunbrig®)
- Cabozantinib (Cabometyx®)
- Crizotinib (Xalkori®)
- Lapatinib (Tyverb®)
- Lenvatinib (Lenvima®)
- Midostaurin (Rydapt®)
- Pazopanib (Votrient®)
- Regorafenib (Stivarga®)
- Sunitinib (Sutent®)
- Sorafenib (Nexavar®)
- Vandetanib (Caprelsa®)
- Afatinib (Gilotrif®)
- Erlotinib (Tarceva®)
- Gefitinib (Iressa®)
- Neratinib (Nerlynx®)
- Osimertinib (Tagrisso®)
- Baricitinib (Olumiant®)
- Ruxolitinib (Jakavi®)
- Tofacitinib (Xeljanz®)
- Upadacitinib (Rinvoq®)
- Everolimus (Afinitor®)
- Sirolimus (= Rapamycin, Rapamune®)
- Temsirolimus (Torisel®)
BRAF-Inhibitoren:
- Dabrafenib (Tafinlar®)
- Encorafenib (Braftovi®)
- Vemurafenib (Zelboraf®)
- Binimetinib (Mektovi®)
- Selumetinib (Koselugo®)
- Trametinib (Mekinist®)
- Ibrutinib (Imbruvica®)
- Abemaciclib (Verzenios®)
- Palbociclib (Ibrance®)
- Ribociclib (Kisqali®)
FLT3-Inhibitoren:
- Gilteritinib (Xospata®)
- Toceranib (Palladia®)
Auch einige monoklonale Antikörper können zu den Kinasehemmern gezählt werden.
Unerwünschte WirkungenKinasehemmer greifen einigermassen selektiv in krebsauslösende und -erhaltende Prozesse ein. Sie sind deshalb tendenziell besser verträglich als traditionelle Zytostatika, welche unspezifisch die Vermehrung sich schneller teilender Zellen hemmen. Trotzdem sind auch Kinasehemmer wie alle Medikamente nicht frei von Nebenwirkungen. Ein Problem stellt die Entwicklung von Resistenzen der Krebszellen gegenüber den Wirkstoffen dar. Ein weiterer Nachteil der Medikamente ist ihr hoher Preis.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (CH, USA)
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- Creedon H., Brunton V.G. Src kinase inhibitors: promising cancer therapeutics? Crit Rev Oncog, 2012, 17(2), 145-59 Pubmed
- Fabbro D., Cowan-Jacob S.W., Möbitz H., Martiny-Baron G. Targeting cancer with small-molecular-weight kinase inhibitors. Methods Mol Biol, 2012, 795, 1-34 Pubmed
- Zhang J., Yang P.L., Gray N.S. Targeting cancer with small molecule kinase inhibitors. Nat Rev Cancer, 2009, 9(1), 28-39 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.