Interaktionen PharmakologieBei der Kombination von zwei oder mehreren Medikamenten können Arzneimittelwechselwirkungen auftreten. Die Wirkstoffe können sich in ihrer Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik gegenseitig beeinflussen. Interaktionen sind meistens unerwünscht und können zu einem Wirkungsverlust, gefährlichen Nebenwirkungen und einer Überdosierung führen. Wechselwirkungen treten nicht nur mit verschreibungspflichtigen und freiverkäuflichen Medikamenten, sondern auch mit Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Getränken, Rauschmitteln und pflanzlichen Heilmitteln auf. Vor der Einleitung jeder Arzneimitteltherapie muss von einer Fachperson überprüft werden, ob die Kombination sicher ist.
synonym: Arzneimittelwechselwirkungen, IA, WW, Drug-Drug-Interactions, DDI
DefinitionWerden zwei oder mehrere Arzneimittel miteinander kombiniert, können sie sich gegenseitig beeinflussen. Dies insbesondere im Hinblick auf ihre Pharmakokinetik (ADME) und auf die Wirkungen und unerwünschten Wirkungen (Pharmakodynamik). Dieses Phänomen wird als Interaktion und Arzneimittelwechselwirkung bezeichnet.
Interaktionen sind in der Regel unerwünscht, weil sie beispielsweise zu einem Wirkungsverlust, zu Nebenwirkungen, einer Vergiftung, einer Krankenhauseinlieferung und einer Organabstossung führen können. Auch über Todesfälle wird berichtet. Aufgrund ihres Interaktionspotentials mussten in der Vergangenheit mehrere Medikamente vom Markt genommen werden.
Interaktionen können allerdings auch erwünscht sein, zum Beispiel bei der HIV-Behandlung, der Parkinsontherapie oder bei Kombinationstherapien.
Es wird zwischen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Wechselwirkungen unterschieden.
Pharmakokinetische InteraktionenPharmakokinetische Interaktionen spielen sich auf der Ebene der Freisetzung, Absorption, Distribution, des Metabolismus und der Elimination (ADME) ab:
- Beeinflussung der Magenentleerung, Veränderung des pH-Werts des Magens
- Interaktionen mit Lebensmitteln
- Reduktion der Absorption im Darm durch gegenseitige Bindung und Inaktivierung (z.B. Mineralstoffe, Aktivkohle, Bisphosphonate)
- Hemmung oder Induktion metabolischer Enzyme (z.B. CYP450, UGT)
- Hemmung oder Induktion von Arzneimitteltransportern (z.B. P-Glykoprotein, BCRP, OAT, OATP)
- Verdrängung aus der Proteinbindung
Pharmakokinetik und die Reise des Wirkstoffs durch den Körper. Zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Pharmakodynamische InteraktionenPharmakodynamische Interaktionen betreffen den Wirkungseintritt, die Wirkdauer, die Wirkstärke sowie die unerwünschten Wirkungen:
- Additiv: Ein identischer Wirkmechanismus führt zu einer Verstärkung der Effekte und unerwünschten Wirkungen. Manchmal werden auch versehentlich gleichzeitig zwei Arzneimittel mit demselben Wirkstoff verabreicht.
- Antagonistisch: Aufhebung der Effekte eines Medikaments aufgrund entgegengesetzter Wirkmechanismen.
- Der Effekt eines Wirkstoffs kann die Empfindlichkeit auf unerwünschte Wirkungen verstärken. So erhöht ein Kaliumverlust die Anfälligkeit für Herzrhythmusstörungen.
Eine pharmakodynamische Wirkung kann einen Einfluss auf die Pharmakokinetik ausüben. So wird beispielsweise durch die Hemmung der Magensäuresekretion die Freisetzung eines anderen Wirkstoffs beeinflusst.
Nahrungsmittel, Getränke, Genuss- und RauschmittelWechselwirkungen können nicht nur zwischen Medikamenten, sondern auch zwischen Medikamenten und Lebensmitteln oder Getränken auftreten. Das bekannteste Beispiel ist Alkohol. Er soll nicht mit zentral dämpfenden oder lebertoxischen Mittel kombiniert werden. Zusammen mit Disulfiram entsteht eine Unverträglichkeitsreaktion.
Grapefruitsaft hemmt das metabolische Enzym CYP3A4 im Darm und kann so die Effekte und die Nebenwirkungen von entsprechenden Substraten verstärken. Auch andere Fruchtsäfte können Wechselwirkungen auslösen.
Viele Nahrungsmittel haben einen Einfluss auf die Absorption und die orale Bioverfügbarkeit von Arzneimitteln. Darunter zum Beispiel Milch, Schwarztee, Kaffee, Mineralwasser und Eier. Deshalb finden sich in der Fachinformation und Packungsbeilage Anweisungen bezüglich des Einnahmezeitpunkts.
Lebensmittel mit Vitamin K wie Blattspinat und Brokkoli können die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten beeinflussen.
Es ist zu beachten, dass auch scheinbar harmlose Therapeutika wie pflanzliche Heilmittel (Phytopharmaka wie hyperforinreiche Johanniskrautexktrakte) oder Nahrungsergänzungsmittel Interaktionen verursachen können. Auch spielt es keine Rolle, ob die Medikamente verschreibungspflichtig sind oder nicht.
Auch Genussmittel wie das Tabakrauchen und Rauschmittel sind häufige Auslöser für Wechselwirkungen. Das Rauchen induziert das metabolische Enzym CYP1A2.
Erwünschte InteraktionenPharmakokinetische Booster sind Wirkstoffe, welche die pharmakokinetischen Eigenschaften eines anderen Wirkstoffs verbessern und dadurch beispielsweise seine Bioverfügbarkeit oder die Plasmakonzentration erhöhen. Sie können auf verschiedenen Ebenen wirksam sein (ADME). Häufig handelt es sich um Hemmer von CYP450-Isoenzymen oder um Hemmer von Transportern. Typische Beispiele sind Ritonavir und Cobicistat.
Ebenfalls erwünscht sind synergistische pharmakodynamische Effekte, zum Beispiel bei der Kombination verschiedener Schmerzmittel.
Abklärung von InteraktionenVor der Einleitung jeder Arzneimitteltherapie muss überprüft werden, ob die Kombination mit den bereits verabreichten Medikamenten möglich ist. Aufgrund der Komplexität muss die Abklärung von einer Fachperson durchgeführt werden. Gleichzeitig sollen nicht mehr benötigte Medikamente abgesetzt werden.
Sie kann einerseits mithilfe der Vorkenntnisse, der Literatur und der Arzneimittel-Fachinformation vorgenommen werden.
Andererseits stehen digitale Werkzeuge und Applikationen zur Verfügung, welche diese Überprüfung automatisch durchführen. Im deutschsprachigen Raum spielt die ABDA-Datenbank eine wichtige Rolle.
Online-Applikationen (Beispiele):
- Drugs.com - Kostenloser Interaktionscheck (Englisch)
- Medscape - Drug Interaction Checker (Englisch)
- MediQ - Fundiertes, professionelles und in der Schweiz entwickeltes System (kostenpflichtig)
- Wechselwirkungs-Check Kostenloser Wechselwirkungs-Check, Apotheken-Umschau
Die Reaktion auf Wechselwirkungen ist abhängig von ihrer klinischen Relevanz. Schwache Interaktionen können unter Umständen in Kauf genommen werden. In einigen Fällen reicht eine Dosisanpassung aus. Alternativ können auch die Blutkonzentrationen bestimmt werden. Es gibt aber Kombinationen, die explizit kontraindiziert sind.
Für Risikopatienten mit vielen Medikamenten stehen für einige Anwendungsgebiete gut verträgliche und risikoarme Mittel zur Verfügung.
Anhang: Beispiele für Arzneimittelwechselwirkungen- Antihistaminika der 1. Generation und Schlafmittel: Verstärkung des dämpfenden Effekts
- Acetylsalicylsäure und Antikoagulantien: Erhöhtes Blutungsrisiko
- NSAR und Methotrexat: Erhöhte Toxizität von Methotrexat
- Mineralstoffe und Antibiotika: Reduktion der Absorption
- Betablocker und Sympathomimetika: Aufhebung der Wirkungen
- MAO-Hemmer und SSRI: Gefahr eines Serotoninsyndroms
- Spironolacton und Kaliumsupplemente: Gefahr einer Hyperkaliämie
- Johanniskraut (hyperforinreiche Extrakte) und Ciclosporin: Gefahr einer Transplantatabstossung
- Opiode und Anticholinergika: Erhöhtes Risiko für eine Verstopfung
- Fluvoxamin und Tizanidin: Starker Blutdruckabfall, Benommenheit, Schläfrigkeit
- Sildenafil und Nitrate: Blutdruckabfall
- Opioide und Opioid-Antagonisten: Aufhebung der Effekte
- Domperidon und Methadon: Verlängerung des QT-Intervalls
- Clarithromycin und Simvastatin: Risiko einer Myopathie und Rhabdomyolyse
- Protonenpumpen-Inhibitoren und Itraconazol: Hemmung der Aufnahme von Itraconazol
- Lithium und NSAR: Anstieg der Plasmakonzentration von Lithium
- Rifampicin und Digoxin: Senkung der Plasmakonzentration von Digoxin
- Grapefruitsaft und Phenprocoumon: Erhöhtes Blutungsrisiko
- Omeprazol und Clopidogrel: Hemmung der Bildung des aktiven Metaboliten von Clopidogrel
- Dopamin-Agonisten und Neuroleptika: Wirkungsabschwächung
- Calcium und Bisphosphonate: Senkung der Absorption
Weitere Informationen zum Thema finden Sie auch in den folgenden Artikeln:
- CYP450
- Glucuronidierung
- Pharmakokinetischer Booster
- Serotoninsyndrom
- QT-Intervall
- MAO-Hemmer
- P-Glykoprotein
- BCRP
- OAT, OATP
- Abgabe von Medikamenten
- Inkompatibilitäten
- ABDA-Datenbank
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.