Neuroleptika Arzneimittelgruppen PsychopharmakaNeuroleptika sind Wirkstoffe aus der Gruppe der Psychopharmaka, welche für die Behandlung psychischer Störungen eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Schizophrenien, weitere Psychosen und manische Episoden bei der bipolaren Störung. Off-Label werden sie bei Schlafstörungen verordnet. Die pharmakologischen Effekte beruhen auf der Interaktion mit Neurotransmittersystemen im Gehirn, insbesondere auf dem Antagonismus an Dopamin- und Serotonin-Rezeptoren. Die Therapie wird mit einer schrittweisen Dosiserhöhung begonnen und ausschleichend beendet. Neuroleptika haben ein hohes Potenzial für Arzneimittel-Wechselwirkungen. Häufige unerwünschte Wirkungen sind Bewegungsstörungen, eine Dämpfung, eine Verlängerung des QT-Intervalls, Herz-Kreislauf-Störungen, eine Gewichtszunahme, Hautausschläge und anticholinerge Nebenwirkungen.
synonym: Antipsychotika, Antipsychotics, Antipsychotic drugs, Neuroleptics
ProdukteNeuroleptika sind unter anderem in Form von Tabletten, Retardtabletten, Schmelztabletten, Kapseln, Lösungen, Suspensionen, als Sirupe und Injektionspräparate im Handel.
Struktur und EigenschaftenNeuroleptika haben keine einheitliche chemische Struktur, aber es lassen sich viele verschiedene Gruppen identifizieren (siehe unten). Als erster Vertreter wurde in den 1950er-Jahren Chlorpromazin eingesetzt, ein Wirkstoff aus der Gruppe der Phenothiazine, also ein Phenothiazin-Derivat.
WirkungenNeuroleptika haben unter anderem antipsychotische, antimanische, dämpfende, beruhigende, antidopaminerge, antiemetische und anticholinerge Eigenschaften. Ihre Effekte beruhen auf der Interaktion mit Neurotransmittersystemen im zentralen Nervensystem. Viele Neuroleptika sind Antagonisten an Dopamin- und an Serotonin-Rezeptoren (5HT1A, 5HT2A, 5-HT2C) und heben so die Effekte dieser biogenen Amine auf. Vor allem die älteren Wirkstoffe sind zusätzlich Antagonisten an Alpha-Adrenozeptoren, muscarinischen Acetylcholin-Rezeptoren und Histamin-Rezeptoren.
Wirkmechanismus der Neuroleptika, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenDie wichtigsten Anwendungsgebiete der Neuroleptika sind:
- Akut- und Erhaltungstherapie der Schizophrenie
- Psychosen
- Manische oder gemischte Episoden bei der bipolaren Störung
- Aggressivität, Selbstverletzung, Reizbarkeit, Erregung, Autismus
- Entzugssymptome bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit
- Schwere Aggressivität oder schwere psychotische Symptome bei einer Alzheimer-Demenz
- Übelkeit und Erbrechen
- Schlafstörungen, in der Regel als Off-Label-Use
Neuroleptika können psychische Störungen nicht heilen, aber die Symptomatik entscheidend verbessern und den Erkrankten ein normales Leben ermöglichen.
DosierungGemäss der Fachinformation. Neuroleptika werden ausschliesslich systemisch (peroral, parenteral) verabreicht. Der Therapiebeginn erfolgt einschleichend und das Absetzen ausschleichend durch eine schrittweise Reduktion der Dosis, um Entzugserscheinungen zu vermeiden.
Von einigen Wirkstoffen stehen Depot-Injektionspräparate zur Verfügung, die beispielsweise nur einmal pro Monat intramuskulär injiziert werden müssen.
MissbrauchEinige Neuroleptika, zum Beispiel Quetiapin, können als Rauschmittel missbraucht werden. Der Missbrauch ist jedoch weitaus weniger geläufig als bei anderen Psychopharmaka wie beispielsweise den Benzodiazepinen.
Wirkstoffe- Amisulprid (Solian®, Generika)
- Sulpirid (Dogmatil®)
- Tiaprid (Tiapridal®)
- Risperidon (Risperdal®, Generika)
- Paliperidon (Invega®, Generika)
Benzoisothiazole:
- Lurasidon (Latuda®)
- Ziprasidon (Zeldox®, Geodon®)
- Droperidol (Droperidol Sintetica®)
- Haloperidol (Haldol®)
- Lumateperon (Caplyta®)
- Pipamperon (Dipiperon®)
Dibenzodiazepine:
- Clozapin (Leponex®, Generika)
Dibenzooxepinpyrrole:
- Asenapin (Sycrest®)
Dibenzoxazepine:
- Loxapin (Adasuve®)
- Penfluridol (Semap®, ausser Handel)
- Pimozid (ausser Handel)
- Xanomelin (Cobenfy®)
- Chlorpromazin (z.B. Chlorazin®, Thorazine®, Largactil®, ausser Handel)
- Fluphenazin (Dapotum® D, ausser Handel)
- Levomepromazin (Nozinan®)
- Perphenazin (Trilafon®, ausser Handel)
- Promazin (Prazine®)
- Sertindol (Serdolect®)
Phenylpiperazine:
- Aripiprazol (Abilify®, Generika)
- Brexpiprazol (Rexulti®)
Thienobenzodiazepine:
- Olanzapin (Zyprexa®, Generika)
- Chlorprothixen (Truxal®)
- Flupentixol (Fluanxol®)
- Zuclopenthixol (Clopixol®)
Die älteren und traditionellen Neuroleptika wie die Phenothiazine und Haloperidol werden als typische Neuroleptika bezeichnet (1. Generation). Zu den atypischen gehören beispielsweise Clozapin, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol und Olanzapin. Atypische Vertreter verursachen weniger extrapyramidale Nebenwirkungen.
Lithium gehört zur Gruppe der Stimmungsstabilisierer.
KontraindikationenDie Gegenanzeigen sind vom eingesetzten Wirkstoff abhängig. Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenNeuroleptika haben ein hohes Potenzial für Wechselwirkungen. Viele sind Substrate von CYP450-Isoenzymen und können Interaktionen mit CYP-Inhibitoren und -Induktoren verursachen.
Aufgrund ihrer dämpfenden Eigenschaften interagieren Neuroleptika mit zentral dämpfenden Arzneimitteln und Alkohol.
Da zahlreiche Neuroleptika das QT-Intervall verlängern, sind Interaktionen mit anderen Wirkstoffen möglich, welche es ebenfalls verlängern. Die Effekte von Dopamin-Agonisten können aufgehoben werden.
Unerwünschte WirkungenZu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen der Neuroleptika gehören:
- Medikamentös ausgelöste Parkinson-Symptome, extrapyramidale Störungen, Gangstörungen, Zittern, Bewegungsstörungen, Sitzunruhe
- Dämpfung, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schlafstörungen
- Kopfschmerzen, Schwindel
- Verlängerung des QT-Intervalls, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckveränderungen, Herz-Kreislauf-Störungen
- Erhöhter Appetit, Gewichtszunahme
- Gastrointestinale Störungen
- Anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit und Verstopfung
- Sehstörungen
- Hautausschlag
Atypische Neuroleptika können den Blutzucker erhöhen (Hyperglykämie) und einen Diabetes auslösen.
Antipsychotika können selten das maligne neuroleptische Syndrom (MNS) verursachen, das sich unter anderem in einer erhöhten Körpertemperatur, Muskelsteifheit, Bewusstseinsveränderungen, Herzrhythmusstörungen und einer Auflösung der quergestreifen Skelettmuskulatur äussert. Das MNS ist potenziell lebensbedrohlich.
siehe auchPsychopharmaka, Dopamin-Antagonisten
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH, USA)
- Cunningham Owens D., Johnstone E.C. The development of antipsychotic drugs. Brain Neurosci Adv, 2018 Pubmed
- Fachliteratur
- Grinchii D., Dremencov E. Mechanism of Action of Atypical Antipsychotic Drugs in Mood Disorders. Int J Mol Sci, 2020, 21(24), 9532 Pubmed
- Keks N., Schwartz D., Hope J. Stopping and switching antipsychotic drugs. Aust Prescr, 2019, 42(5), 152-157 Pubmed
- Seeman M.V. Men and women respond differently to antipsychotic drugs. Neuropharmacology, 2020, 163, 107631 Pubmed
- Zhu J. et al. Antipsychotic drugs and sudden cardiac death: A literature review of the challenges in the prediction, management, and future steps. Psychiatry Res, 2019, 281, 112598 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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