Freisetzung (Liberation) PharmakokinetikNach der peroralen Verabreichung muss der Wirkstoff in einem ersten Schritt aus dem Arzneimittel freigesetzt werden. Tabletten zerfallen in kleinere Partikel und die Hülle von Kapseln löst sich auf. Anschliessend können die Wirkstoffe in Lösung gehen und über die Zellen der Schleimhaut in den Blutkreislauf absorbiert werden.
synonym: Liberation
DefinitionNach der Einnahme eines Arzneimittels gelangt es über die Speiseröhre in den Magen und in den Dünndarm.
Dort muss der Wirkstoff als erstes aus der Arzneiform freigesetzt werden. Dies ist die Voraussetzung, damit er über die Zellen der Schleimhaut in den Blutkreislauf absorbiert werden kann.
Die Arzneiform übt somit einen entscheidenden Einfluss auf die Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit aus, d.h. auf das Ausmass und die Geschwindigkeit, mit welcher der Wirkstoff in die systemische Zirkulation gelangt.
ZerfallDie Hülle von Kapseln besteht meistens aus Gelatine. Sie löst sich unter dem Einfluss von Wärme und Flüssigkeit auf und gibt ihren Inhalt frei, zum Beispiel ein feines Pulver.
Tabletten zerfallen nach der Einnahme in kleinere Partikel. Um diesen Prozess zu ermöglichen oder zu beschleunigen, werden ihnen als Hilfsstoffe sogenannte Zerfallsmittel zugegeben. Das können zum Beispiel Stärken und Cellulosen sein, die beim Kontakt mit Wasser aufquellen. Durch den Zerfall wird die Oberfläche vergrössert und die Lösung der Wirkstoffe verbessert. Bei Tabletten wird zwischen der Desintegration in grobe Partikel (Granulat) und der auf sie folgenden Desaggreagation in kleine Partikel unterschieden.
Einige Wirkstoffe erreichen den Magen und Darm bereits in kleinen Partikeln oder in Lösung. Dazu gehören beispielsweise Lösungen, Suspensionen, Sirupe, Schmelztabletten, dispergierbare Tabletten, Kautabletten und aufgelöste Brausetabletten. Der Wirkungseintritt kann unter Umständen schneller erfolgen, weil ein Schritt vorweggenommen wurde.
Lösung (Dissolution)In einem nächsten Schritt muss der Wirkstoff in Lösung gehen. Dies wird als Dissolution bezeichnet.
Die Löslichkeit der Wirkstoffe ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu gehören:
- Physikochemische Eigenschaften des Wirkstoffs: Lipophilie, Kristallform, Wirkstoffsalz (Ionisierung), Partikelgrösse, pKa
- Arzneiform, Hilfsstoffe
- Gastrointestinales Milieu: Verdauungssaft, Galle, Gallensalze, pH-Wert
- Einnahme mit oder ohne Nahrung, Füllungszustand des Magens
- Transitzeit
- Wechselwirkungen
Durch die Absorption des Wirkstoffs aus dem Lumen sinkt die Konzentration im Darm. Gleichzeitig wird der Wirkstoff mit dem Blut kontinuierlich abtransportiert. Dies erhöht die Löslichkeit des Wirkstoffs aufgrund des Konzentrationsgradienten.
Viele Wirkstoffe sind im Medikament ionisiert, in Form von Wirkstoffsalzen, enthalten, weil dadurch ihre Löslichkeit erhöht wird.
Es ist anzumerken, dass ein geringer Teil des Wirkstoffs direkt aus der noch nicht zerfallenen Tablette in Lösung gehen kann.
Pharmakokinetik und die Reise des Wirkstoffs durch den Körper. Zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
siehe auchLADME, Absorption, Darreichungsformen
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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- Lehrbücher der Pharmakotherapie und der pharmazeutischen Technologie
- Sugano K. et al. Solubility and dissolution profile assessment in drug discovery. Drug Metab Pharmacokinet, 2007, 22(4), 225-54 Pubmed
- Vögtli A., Ernst B. Moderne Pharmakokinetik. Transport durch Membranen. Weinheim: Wiley-VCH, 2010
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.