Benzodiazepine ArzneimittelgruppenBenzodiazepine sind pharmazeutische Wirkstoffe mit angstlösenden, krampflösenden, beruhigenden und schlaffördernden Eigenschaften. Sie werden unter anderem gegen Angst-, Erregungs- und Spannungszustände, Schlafstörungen und Epilepsie eingesetzt und gehören zu den am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka. Die Effekte beruhen auf der Verstärkung der Wirkungen des hemmenden Neurotransmitters GABA. Benzodiazepine können zahlreiche unerwünschte Wirkungen verursachen, abhängig machen und missbraucht werden. Sie sollten deshalb nur zurückhaltend und kurzfristig eingenommen werden.
synonym: Tranquilizer, Tranquillantien, „Benzos“, BZD
ProdukteBenzodiazepine sind unter anderem in Form von Tabletten, Schmelztabletten, Kapseln, Tropfen und als Injektionspräparate im Handel (Auswahl).
Chlordiazepoxid (Librium®), das erste Benzodiazepin, wurde in den 1950er-Jahren von Leo Sternbach bei Hoffmann-La Roche synthetisiert und kam im Jahr 1960 auf den Markt. Als zweiter Wirkstoff wurde 1962 das bekannte Diazepam (Valium®) lanciert. Zahlreiche weitere Medikamente folgten (siehe unten).
Struktur und EigenschaftenBenzodiazepine sind substituierte Derivate eines 5-Aryl-1,4-Diazepins, das mit einem Benzolring fusioniert ist. Mit Ausnahme von Clobazam handelt sich um 1,4-Benzodiazepine, Clobazam ist ein 1,5-Benzodiazepin. Einige Wirkstoffe sind mit einem Heterozyklus fusioniert, z.B. Midazolam mit einem Imidazol oder Triazolam mit einem Triazol.
WirkungenBenzodiazepine (ATC N05BA ) haben angstlösende, beruhigende, schlaffördernde, krampflösende (antiepileptische) und muskelentspannende Eigenschaften. Die Effekte beruhen auf der allosterischen (nicht kompetitiven) Bindung an den postsynaptischen GABAA-Rezeptor, der Öffnung von Chloridkanälen und der Verstärkung der Wirkungen von GABA, des wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitters im Gehirn.
Wirkmechanismus der Benzodiazepine, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Indikationen- Angst-, Erregungs- und Spannungszustände, Panik
- Psychosomatische Störungen
- Epilepsie
- Muskelkrämpfe
- Schlafstörungen
- Für die Anästhesie, als Beruhigungsmittel vor chirurgischen oder diagnostischen Eingriffen
Gemäss der Fachinformation. Eigentlich sollte die Therapiedauer in der Regel so kurz wie möglich gehalten werden und einen bis drei Monate nicht überschreiten. In der Praxis werden Benzodiazepine jedoch häufig über Monate bis Jahre konsumiert und viele Patientinnen und Patienten sind abhängig.
Wirkstoffe- Alprazolam (Xanax®)
- Bromazepam (Lexotanil®)
- Bromazolam (Rauschmittel)
- Chlordiazepoxid (Librax®, früher Librium®)
- Clobazam (Urbanyl®)
- Clonazepam (Rivotril®)
- Clorazepat (Tranxillium®)
- Cloxazolam (ausser Handel)
- Delorazepam (EN®)
- Diazepam (Valium®), Diazepam-Nasenspray
- Estazolam (nicht im Handel)
- Flunitrazepam (Rohypnol®)
- Flurazepam (Dalmadorm®)
- Halazepam (Pacinone®)
- Ketazolam (Solatran®)
- Lorazepam (Temesta®, Generika)
- Lormetazepam (Loramet®)
- Medazepam (Rudotel®, D)
- Midazolam (Dormicum®), Midazolam-Nasenspray
- Nitrazepam (Mogadon®)
- Oxazepam (Seresta®, Anxiolit®)
- Prazepam (Demetrin®)
- Temazepam (Normison®)
- Tetrazepam (in der Schweiz nicht im Handel)
- Triazolam (Halcion®)
Flumazenil (Anexate®) ist ein Antidot, mit dem die Effekte der Benzodiazepine aufgehoben werden können, zum Beispiel bei einer Überdosierung.
Die typischen Suffixe der Benzodiazepine sind -azepam und -azolam.
MissbrauchBenzodiazepine können als dämpfende Rauschmittel missbraucht werden und abhängig machen. Der Missbrauch ist gefährlich, insbesondere in Kombination mit anderen dämpfenden und atemdepressiven Arzneimitteln sowie mit Alkohol. Vielen Prominenten wird ein Benzodiazepin-(Über)gebrauch nachgesagt. So starb beispielsweise der Schauspieler Heath Ledger (Brokeback Mountain, The Dark Knight) gemäss Autopsiebericht an einem Medikamenten-Cocktail, der nebst Opioiden und Doxylamin die drei Benzodiazepine Diazepam, Temazepam und Alprazolam enthielt. Benzodiazepine wie beispielsweise Flunitrazepam (Rohypnol®) werden auch als sogenannte „Date Rape Drugs“ missbraucht → siehe unter Flunitrazepam.
KontraindikationenBenzodiazepine sind bei einer Überempfindlichkeit, einer schweren Ateminsuffizienz, dem Schlafapnoesyndrom, Myasthenia gravis, einer Abhängigkeit von Medikamenten, Rauschmitteln oder Alkohol sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenViele Benzodiazepine werden von CYP450 metabolisiert und es sind entsprechende Wechselwirkungen mit CYP-Hemmern und -Induktoren möglich. Weitere Interaktionen werden mit zentral dämpfenden Arzneimitteln, Alkohol und Muskelrelaxantien beobachtet.
Unerwünschte WirkungenZu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören:
- Psychiatrische Störungen und paradoxe Reaktionen: Ruhelosigkeit, Erregung, Reizbarkeit, Aggressivität, Wahnvorstellungen, Wutausbrüche, Albträume, Halluzinationen, Psychosen, Auslösung einer Depression
- Zentrale Störungen: Müdigkeit, Schläfrigkeit, Dämpfung, Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, anterograde Amnesie, Gedächtnisstörungen
- Sehstörungen: Doppelbilder, verschwommenes Sehen
- Atemstörungen, Atemdepression
- Verdauungsbeschwerden: Mundtrockenheit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung
- Muskelschwäche, Ataxie, Sturzgefahr, insbesondere bei älteren Menschen
- Herz-Kreislauf-Störungen: Tiefer Blutdruck
- Entwicklung einer Toleranz, Dosissteigerung
- Schwere Hautreaktionen (Tetrazepam)
Bei raschem Absetzen können Entzugserscheinungen auftreten. Alle Benzodiazepine können psychisch und physisch abhängig machen und bei einem raschen Absetzen Entzugserscheinungen auslösen.
siehe auchSchlafmittel, Antiepileptika, Barbiturate, Medikamentenübergebrauch, Alkoholabhängigkeit, Angststörungen
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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- Quellen
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- Uzun S., Kozumplik O., Jakovljević M., Sedić B. Side effects of treatment with benzodiazepines. Psychiatr Danub. 2010, 22(1), 90-3 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.