Abhängigkeit IndikationenBei einer Substanzabhängigkeit werden Medikamente, Rauschmittel, Genussmittel oder Lebensmittel regelmässig konsumiert und beim Absetzen stellen sich Entzugssymptome ein. Die Betroffenen verlieren bei Suchterkrankungen die Kontrolle über den Konsum, haben einen starken Drang nach den Mitteln und entwickeln eine Toleranz, welche eine Dosissteigerung erforderlich macht. Typische Beispiele missbrauchter Substanzen sind Opioide, Schlafmittel, Stimulanzien, Schmerzmittel, Alkohol, Nicotin, Coffein und Zucker (Saccharose).
synonym: Dependenz, Medikamentenabhängigkeit, Substanzabhängigkeit, Drogenabhängigkeit
DefinitionBei einer Substanzabhängigkeit werden Medikamente, Rauschmittel, Genussmittel oder auch Lebensmittel regelmässig zugeführt. Wird auf den Konsum verzichtet, treten Entzugsssymptome auf.
Das Ziel der Verabreichung ist, einen erwünschten Effekt auszulösen, Krankheitssymptome zu behandeln oder unerwünschte Entzugssymptome zu vermeiden. Die Substanzen werden weiter konsumiert, selbst wenn negative Folgen erkennbar sind und das Absetzen gestaltet sich schwierig.
Sucht ist eine chronische und wiederkehrende neurologische Krankheit, die wie folgt charakterisiert wird:
- Starker Drang oder Zwang zum Konsum (Craving)
- Kontrollverlust
- Toleranzentwicklung
- Entzugssymptome
- Vernachlässigung anderer Interessen und Verpflichtungen, Priorität des Konsums und der Beschaffung („Drug seeking“)
- Konsum trotz schädlicher und negativer Folgen
Bei den nicht psychoaktiven Medikamenten (z.B. Abführmittel, abschwellende Nasensprays) spielt die Vernachlässigung eine weniger wichtige Rolle.
Im Englischen werden zur einfachen Beschreibung einer Sucht die vier C verwendet:
- Compulsion to use
- Craving
- Use despite Consequences
- Loss of Control
Es wird zwischen Dependence (Abhängigkeit) und Addiction (Sucht) unterschieden.
Zu den Risikofaktoren gehören unter anderem die Vererbung, Umweltfaktoren, die familiäre Situation, das Alter, psychische Störungen und das soziale Umfeld (Gruppendruck). Meistens geht dem regelmässigen Konsum ein gelegentlicher oder therapeutischer voraus.
Die Entstehung einer Sucht ist von den Betroffenen nicht geplant und nicht erwünscht. Sie entwickelt sich graduell aus einer medikamentösen Therapie, zum Beispiel einer Schmerztherapie mit Opioiden, aus einer Gewohnheit (Alkoholkonsum am Wochenende) oder aus einer psychisch belastenden Situation.
Nach einer initalen Phase der Leugnung erkennen viele Abhängige früher oder später ihre Situation und haben den Wunsch, den Konsum einzustellen. Dies fällt aufgrund der positiv erlebten Effekte, der Veränderungen im Gehirn, den Krankheitssymptomen, des Cravings und den Entzugssymptomen schwer. Aufgrund der Anpassungen im Gehirn handelt es sich um eine chronische Krankheit und auch nach Jahren besteht noch die Gefahr eines Rückfalls.
Suchterzeugende StoffeIm Folgenden sind einige Beispiele von Substanzen aufgelistet, welche häufig eine psychische oder körperliche Abhängigkeit auslösen (Auswahl):
- Abführmittel: Senna, Bisacodyl
- Antiepileptika: Pregabalin, Barbiturate
- Bronchodilatatoren: Salbutamol
- Genussmittel: Coffein, Nicotin, Alkohol (Alkoholabhängigkeit)
- Lebensmittel: Zucker, Kohlenhydrate, Fette
- Opioide: Morphin, Codein, Oxycodon
- Rauschmittel: Cannabis, Lösungsmittel
- Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Anxiolytika: Benzodiazepine, Z-Drugs, Antihistaminika
- Schmerzmittel: Diclofenac, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Mefenaminsäure
- Stimulanzien: Cocain, Amphetamine
- Topische Glucocorticoide: Mometasonfuroat
- Triptane: Sumatriptan, Zolmitriptan
- Vasokonstriktoren: Xylometazolin, Oxymetazolin
Die Medikamentenabhängigkeit hat enge Beziehungen und Überschneidungen zum Drogenmissbrauch, unterscheidet sich doch in einigen Punkten. So ist beispielsweise die Qualität der Medikamente gewährleistet, der psychoaktive Effekt steht nicht immer Vordergrund und die Preise sind geringer. Des Weiteren spielt das Jugendalter bei der Entstehung der Medikamentenabhängigkeit eine geringere Rolle.
Toleranz und DosiserhöhungBei einer regelmässigen Anwendung kann sich eine Toleranz entwickeln, d.h. bei gleicher Dosis wird nicht mehr derselbe pharmakologische Effekt erreicht wie zu Beginn. Dies geht oft mit einer Dosiserhöhung oder einer Verkürzung des Dosierungsintervalls einher. Die Toleranz kann auch dazu führen, dass weitere Mittel ausprobiert werden (Mischkonsum). Eine Abhängigkeit führt zu einem Kontrollverlust führen. Statt eines Feierabendbiers wird bereits morgens und tagsüber getrunken.
Gesundheitliche FolgenDer regelmässige Konsum kann abhängig von der verwendeten Substanz leichte Störungen hervorrufen, z.B. Verdauungsstörungen, Magenbrennen und Zahnverfärbungen bei Kaffee. Zucker kann die Entstehung von Übergewicht und metabolischer Störungen fördern. Schwere gesundheitliche Folgen der erwähnten Stoffe sind beispielsweise Unfälle, Krebserkrankungen, Herzerkrankungen, eine Atemdepression, ein Koma und eine Vergiftung aufgrund einer Überdosierung. Bei illegal beschafften Rauschmitteln besteht zusätzlich die Gefahr von Verunreinigungen. Des Weiteren können falsche Wirkstoffe enthalten sein.
Massnahmen- Entzug unter ärztlicher Kontrolle, Behandlung der Entzugssymptome
- Kontrollierte, eingeschränkte Abgabe und Einnahme
- Aufklärung durch eine Fachperson
- Substitutionstherapie, z.B. Früchte statt Zucker, Schwarztee statt Kaffee, Methadon statt Heroin, Nicotinkaugummis anstelle von Zigaretten
- Medikamentöse Behandlung, z.B. mit Psychopharmaka wie Antidepressiva, Opioid-Antagonisten, Disulfiram
- Professionelle Betreuung, z.B. durch einen Therapeuten, Arzt, Apotheker, Psychiater oder Psychologen
- Selbsthilfegruppen
- Dosisreduktion
- Ersatz des Suchtmittels durch eine sinnvolle Tätigkeit, z.B. Sport
- Wechsel des Umfelds, soziale und berufliche Integration
- Verfügbarkeit reduzieren, z.B. von Süssigkeiten im Haushalt
- Zur Vorbeugung kritische Medikamente meiden, also beispielsweise sedierende Antidepressiva anstelle von Benzodiazepinen als Schlafmittel verordnen.
Toleranz, Überdosierung, Rauschmittel, Entzugssymptome
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.