N-Acetylcystein Arzneimittelgruppen Schleimlösende Mittel N-Acetylcystein ist ein schleimlösender und antioxidativer Wirkstoff zur Behandlung von Atemwegserkrankungen mit zäher Sekretbildung. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, die auch als Folge des unangenehmen Schwefelgeruchs des Wirkstoffs auftreten können. Überempfindlichkeitsreaktionen wie Bronchienverengung, tiefer Blutdruck oder Hautreaktionen können vorkommen, sind aber häufiger bei intravenöser oder inhalativer Verabreichung. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Behandlung einer Vergiftung mit Paracetamol.
synonym: Acetylcystein, Acetylcysteinum PhEur, NAC, ACC
ProdukteN-Acetylcystein ist in zahlreichen Produkten enthalten. Das Original Fluimucil® wurde in der Schweiz erstmals im Jahr 1966 zugelassen. Acetylcystein wird meist peroral in Form von Brausetabletten, Lutschtabletten, Lingualtabletten, Pulvern, Granulaten, Kapseln oder Sirupen verabreicht. Im Handel sind zudem Injektionslösungen, Ampullen für Aerosolgeräte und Nasensprays erhältlich. Die N-Acetylcystein-Augentropfen werden als Magistralrezeptur hergestellt.
Struktur und EigenschaftenAcetylcystein (C5H9NO3, Mr = 163.2 g/mol) ist N-acetyliertes Cystein. Es liegt als weisses, kristallines Pulver oder in Form farbloser Kristalle vor und ist in Wasser leicht löslich. Acetylcystein riecht unangenehm nach Schwefel (faule Eier). Ein ähnlicher Wirkstoff ist das schleimlösende Carbocistein, das ebenfalls von Cystein abgeleitet ist.
WirkungenAcetylcystein (ATC R05CB01 ) hat schleimlösende Eigenschaften. Es löst Disulfidbrücken in den Glykoproteinen des Schleims auf und vermindert so die Viskosität. Es ist weiter antioxidativ und wirkt als Radikalfänger. Acetylcystein ist ein Prodrug der Aminosäure L-Cystein. Da Cystein ein Bestandteil von Glutathion ist, werden die endogenen Glutathion-Vorräte erhöht. Glutathion ist ein wichtiges Antioxidans und entgiftet unter anderem den toxischen Metaboliten NAPQI, der bei einer Vergiftung mit Paracetamol vermehrt gebildet wird.
IndikationenAtemwegserkrankungen mit zäher Sekretbildung, z.B. Husten, akute oder chronische Bronchitis, Laryngitis, Sinusitis, Tracheitis, Bronchialasthma, Mukoviszidose (Zusatzbehandlung). Antidot bei Paracetamol-Vergiftungen.
Die Anwendung bei zahlreichen weiteren Indikationen wurde untersucht. Acetylcystein wird auch als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen.
DosierungAls schleimlösendes Mittel:
- Erwachsene: Tagesdosis 600 mg
- Kinder von 2 bis 12 Jahren: Tagesdosis 300 mg, verteilt auf 3 Einzeldosen
- Kinder unter 2 Jahren: kontraindiziert
- Überempfindlichkeit
- Kinder unter 2 Jahren; Schwangerschaft und Stillzeit gemäss der Fachinformation
Mit Vorsicht anwenden bei:
- Patienten mit einem Risiko für gastrointestinale Blutungen, weil Erbrechen ausgelöst werden könnte.
- Patienten mit Asthma bronchiale oder hyperreaktivem Bronchialsystem, weil ein Bronchospasmus ausgelöst werden könnte.
- Patienten mit hohem Blutdruck, da einige Brausetabletten Natriumchlorid (Kochsalz) enthalten.
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenDie Wirksamkeit einiger Antibiotika (Ampicillin, Tetrazykline, Makrolide, Cephalosporine, Aminoglykoside, Amphotericin B) kann durch N-Acetylcystein reduziert werden, wenn Acetylcystein in direkten Kontakt mit diesen Substanzen gebracht wird. Bei gleichzeitiger Therapie mit den Antibiotika sollte ein zeitlicher Abstand von 2 Stunden eingehalten werden. Acetylcystein kann die Wirkung von Glyceroltrinitrat verstärken und bildet Komplexe mit Metallionen.
Unerwünschte WirkungenZu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Magen-Darm-Beschwerden, z.B. Übelkeit und Erbrechen aufgrund des schlechten Geruchs, Sodbrennen, schlechter Geruch der Ausatmungsluft (Schwefelwasserstoff, H2S), selten Urtikaria, Kopfschmerzen und Fieber. Überempfindlichkeitsreaktionen und anaphylaktoide Reaktionen wie Rash, Juckreiz, Angioödem, Bronchospasmus, Tachykardie und Hypotension treten vor allem bei intravenöser oder inhalativer Verabreichung auf.
siehe auchSchleimlösende Mittel, Carbocistein, Cystein, Erdostein, N-Acetylcystein-Augentropfen
Literatur- Aitio M.L. N-acetylcysteine - passe-partout or much ado about nothing? Br J Clin Pharmacol, 2006, 61(1), 5-15 Pubmed
- Atkuri K.R. et al. N-Acetylcysteine - a safe antidote for cysteine / glutathione deficiency. Curr Opin Pharmacol, 2007, 7(4), 355-9 Pubmed
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Heard KJ. Acetylcysteine for acetaminophen poisoning. NEJM, 2008, 17, 359(3), 285-92 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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