Gestagene Arzneimittelgruppen SexualhormoneGestagene sind natürliche oder synthetisch hergestellte Steroidhormone. Die Leitsubtanz ist das körpereigene weibliche Sexualhormon Progesteron. Gestagene haben empfängnisverhütende Eigenschaften und können abhängig vom Wirkstoff eine antimineralokortikoide, androgene oder antiandrogene, glucocorticoide und östrogene Partialwirkung haben. Die gestagenen Effekte beruhen auf der Bindung an intrazelluläre und membranständige Progesteron-Rezeptoren. Zu den Anwendungsgebieten gehören unter anderem die Empfängnisverhütung, die Notfallverhütung, die Menopause, Störungen des weiblichen Zyklus, Brustschmerzen und Menstruationsbeschwerden. Gestagene werden peroral, transdermal, intramuskulär, vaginal und topisch verabreicht. Sie werden auch mit Östrogenen kombiniert. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören eine Gewichtszunahme, depressive Verstimmungen, Kopfschmerzen und Blutungsstörungen.
synonym: Progestine, Gelbkörperhormone
ProdukteGestagene sind unter anderem in Form von Tabletten, Kapseln, transdermalen Pflastern und Gelen, vaginalen Ringen, Injektionspräparaten sowie als Vaginalpräparate im Handel. Sie sind in hormonalen Empfängnisverhütungsmitteln enthalten, einerseits in Mono- und andererseits in Kombinationspräparaten.
Struktur und EigenschaftenGestagene sind Steroidhormone. Die Leitsubstanz ist das weibliche Sexualhormon Progesteron. In Arzneimitteln liegen Gestagene oft als Ester vor. Synthetische Derivate werden auch als Progestine bezeichnet. Sie sind strukturell zum Beispiel von Progesteron, Testosteron und Spironolacton abgeleitet.
WirkungenGestagene (ATC G03D ) haben empfängnisverhütende Eigenschaften. Die Effekte beruhen in erster Linie auf der Hemmung des Eisprungs. Des Weiteren erhöhen sie auch die Viskosität des Zervixschleimes.
Progesteron bewirkt im weiblichen Zyklus die Umwandlung eines proliferativen in ein sekretorisches Endometrium. Es hält die Schwangerschaft aufrecht.
Gestagene können verschiedene Partialwirkungen haben. Dies trifft auf die verschiedenen Wirkstoffe unterschiedlich zu:
Die gestagenen Effekte beruhen auf der Bindung an intrazelluläre [Progesteron-Rezeptoren. Sie interagieren mit der DNA und fördern die Proteinexpression. Zusätzlich existieren membranständige Progesteron-Rezeptoren.
Die Progresteronausschüttung aus dem Corpus luteum (Gelbkörper) wird vom Hypothalamus und vom Hypophysenvorderlappen mit dem luteinisierenden Hormon (LH) reguliert.
Wirkmechanismus der Gestagene, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenAnwendungsgebiete der Gestagene (Auswahl):
- Für die hormonale Empfängnisverhütung.
- Für eine Notfallverhütung („Pille danach“).
- Für die Hormonsubstitutionstherapie in den Wechseljahren oder nach einer Ovarektomie.
- Störungen des weiblichen Zyklus, Blutungsstörungen.
- Ovulationsstörungen und Störungen der Fruchtbarkeit.
- Schmerzen im Bereich der weiblichen Brust infolge eines lokalen Progesteron-Mangels ohne Brustgewebsveränderungen.
- Prämenstruelles Syndrom
- Endometriose
- Menstruationsbeschwerden (Dysmenorrhoe)
- Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung
- Verschieben der Menstruation
- Zur Verhindung einer Frühgeburt während der Schwangerschaft.
- Für die Geschlechtsumwandlung bei Männern.
Gemäss der Fachinformation. Gestagene werden peroral, transdermal, intramuskulär, vaginal und topisch verabreicht. Für einige Indikationen ist die Kombination mit einem Östrogen erforderlich.
Wirkstoffe- Chlormadinonacetat (z.B. Belara®)
- Cyproteronacetat (z.B. Androcur®, Kontrazeptiva)
- Desogestrel (Cerazette®, Generika)
- Dienogest (z.B. Qlaira®)
- Drospirenon (Generika von Yasmin® und Yasminelle®,)
- Dydrogesteron (Duphaston®)
- Etonogestrel (Implanon®, NuvaRing®)
- Gestoden (Kontrazeptiva)
- Levonorgestrel (Generika, „Pille danach“)
- Medroxyprogesteronacetat
- Nomegestrolacetat (Zoely®)
- Norethisteron (Primolut®)
- Norethisteronacetat (z.B. Activelle®, Kliogest®, Estalis®)
- Norgestimat (ausser Handel)
- Norgestrel (Cyclacur®)
- Norelgestromin (Evra®)
- Progesteron (z.B. Utrogestan®, Progestogel®)
- Ulipristalacetat (ellaOne®, „Pille danach“)
Zu den Gegenanzeigen gehören (Auswahl):
- Überempfindlichkeit
- Krebserkrankungen der Brust oder andere geschlechtshormonsensitive Malignome
- Ungeklärte vaginale Blutungen
- Lebertumore
- Schwere Lebererkrankungen
- Akute venöse thromboembolische Ereignisse
- Schwangerschaft (abhängig vom Produkt)
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenEinige Gestagene wie zum Beispiel Progesteron sind Substrate von CYP450 und anfällig für Wechselwirkungen mit CYP-Induktoren oder -Inhibitoren.
Unerwünschte WirkungenIm Folgenden sind mögliche unerwünschte Wirkungen der Gestagene aufgelistet. Abhängig vom Wirkprofil können sie sich unterscheiden:
- Gewichtszunahme
- Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmung, verminderte Libido
- Kopfschmerzen, Schwindel
- Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
- Akne
- Unregelmässige Blutungen, Amenorrhoe
- Leberfunktionsstörungen
- Brustschmerzen
Östrogene, Androgene, Progesteron
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Asi N. et al. Progesterone vs. synthetic progestins and the risk of breast cancer: a systematic review and meta-analysis. Syst Rev, 2016, 5(1), 121 Pubmed
- Hirvonen E. Progestins. Maturitas, 1996, 23 Suppl, S13-8 Pubmed
- Schindler A.E. et al. Classification and pharmacology of progestins. Maturitas, 2003, 46 Suppl 1, S7-S16 Pubmed
- Sitruk-Ware R., El-Etr M. Progesterone and related progestins: potential new health benefits. Climacteric, 2013, 16 Suppl 1, 69-78 Pubmed
- Stanczyk F.Z. All progestins are not created equal. Steroids, 2003, 68(10-13), 879-90 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.