Cholinerge Urtikaria Indikationen UrtikariaEine cholinerge Urtikaria ist ein Nesselfieber mit Hautrötung, Juckreiz und Quaddelbildung, das bei erhöhter Körpertemperatur und häufiger in der kalten Jahreszeit auftritt. Typische Auslöser sind warmes Duschen oder Baden, emotionaler Stress und körperliche Aktivität. Betroffen sind vor allem jüngere Menschen. In der Regel werden die Beschwerden nicht-medikamentös behandelt. Antihistaminika können bei starken Beschwerden zur Vorbeugung und Behandlung eingesetzt werden.
synonym: Cholinerge Urticaria, Urticaria Cholinergica, Stressinduzierte Urticaria, Cholinergische Urticaria, Schwitz-Urticaria
SymptomeDie cholinerge Urtikaria ist ein Nesselfieber, das vor allem am Oberkörper, an der Brust, am Hals, im Gesicht, am Rücken und an den Armen auftritt. Sie äussert sich in einer zuerst verstreuten und anschliessend zusammenfliessenden Hautrötung, Juckreiz, Brennen und einem Wärmegefühl. Gleichzeitig bilden sich kleine Quaddeln, die kleiner sind als bei anderen Formen der Urtikaria (Stecknadelkopf, 1-5 mm).
Bei einem schweren Verlauf kann es selten zu Begleitsymptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Keuchen und Kurzatmigkeit kommen. Die Hautreaktionen treten einige Minuten nach der Erhöhung der Körpertemperatur auf. Wird der Auslöser entfernt, verschwinden die Symptome in der Regel innert etwa einer halben Stunde, können aber auch länger anhalten.
Der Verlauf ist meistens mild, schwere Verläufe mit Kurzatmigkeit sind selten. Die Schübe können nach einigen Jahren verschwinden. Betroffen sind häufig junge Erwachsene. Bei einer Untersuchung mit 493 Studierenden in Berlin waren über 11 Prozent betroffen (Zuberbier, 1994)! Da die Beschwerden des Nesselfiebers in der Regel rasch vorübergehen und nicht dauernd auftreten, sind die Betroffenen nicht in ärztlicher Behandlung und nicht ausreichend informiert. Der Zustand wurde 1924 zum ersten Mal beschrieben (Duke, 1924).
AuslöserWärme gilt als der Hauptauslöser. Das Nesselfieber tritt bei einer Erhöhung der Körpertemperatur um 0.5 bis 1.5 °C auf. Zu den Ursachen gehören:
- Emotionaler Stress, Angst
- Baden und Duschen, Sauna
- Körperliche Anstrengung, zum Beispiel Sport, beim Wandern, bei der Arbeit
- Hohe Raumtemperatur
- Beim Konsum von Alkohol oder scharfen Speisen, z.B. Cayennepfeffer
- Beim Trinken heisser Getränke
- Fieber
Dieselbe Person muss nicht auf alle Auslöser reagieren.
UrsachenDie Ursache des Nesselfiebers liegt in der Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin durch die Degranulation von Mastzellen. Während eines Schubs kann eine erhöhte Konzentration von Histamin im Plasma nachgewiesen werden.
Die eigentliche tiefere Ursache ist nach wie vor unklar. Diskutiert wird unter anderem eine Autoallergie gegen die Bestandteile von Schweiss und eine Hypohidrose (vermindertes Schwitzen). Die Kälte spielt aus unserer Sicht eine wichtige Rolle, da die Beschwerden vor allem in der kalten Jahreszeit auftreten und über den Sommer verschwinden. Möglicherweise liegt eine leichte Erfrierung der Haut zugrunde. Deshalb ist es wichtig, sich zur Vorbeugung ausreichend warm anzuziehen und auf eine ausreichende Raumtemperatur zu achten.
KomplikationenDas Auftreten von Hautreaktionen kann für die Betroffenen physisch und psychisch unangenehm sein. Es kann ein psychosoziales Problem darstellen, das zu Schamgefühl führt. Schwere Komplikationen wie eine generalisierte Reaktion mit Bronchokonstriktion oder Blutdruckabfall und Kollaps sind hingegen selten.
RisikofaktorenJunge Menschen sind häufiger betroffen und in kleinen Untersuchungen wurde eine familiäre Häufung gezeigt.
Diagnose und DifferentialdiagnosenDie Diagnose kann häufig bereits aufgrund der Patientenbefragung gestellt werden. Mit einem Provokationstest lässt sich die Diagnose erhärten: Die Symptome können durch körperliche Anstrengung und am zuverlässigsten durch ein heisses Bad hervorgerufen werden. Bei einer von cholinergen Substanzen in die Haut treten die Symptome nur bei etwa einem Drittel der Patienten auf. Eine cholinerge Urtikaria kann unter anderem mit anderen Formen der Urtikaria verwechselt werden:
- Kälteurtikaria: direkter Kontakt mit einem kalten Objekt (z.B. Eiswürfel) oder kalte Umgebung
- Wärmeurtikaria: direkter Kontakt mit einem warmen Objekt (selten)
- Aquagene Urtikaria: direkter Kontakt mit Wasser führt zu Nesselfieber (sehr selten)
- Anstrengungs-induzierte Urtikaria: tritt bei körperlicher Anstrengung 1-2 Stunden nach dem Essen auf
Hitzewallungen in der Menopause zeigen eine ähnliche Symptomatik, treten aber in der Regel nicht bei jüngeren Menschen auf und gehen nicht mit Quaddeln einher.
Ein Flush wie zum Beispiel bei einer Rosazea verläuft in der Regel ohne Quaddeln und Juckreiz.
Nicht medikamentöse Behandlung und VorbeugungDurch die Kontrolle der Hauptauslöser Wärme und Stress kann das Nesselfieber vermieden werden:
- Angepasste Kleidung
- Nicht zu heiss duschen oder baden
- Entspannungstechniken
Kälte / Kühlen beim Schub:
- Kurz an die frische Luft zur Abkühlung
- Ein kühles Getränk trinken
- Zu warme Bekleidung ausziehen
- Evtl. Eisbeutel
Refraktärphase:
- Nach einem Schub gibt es eine symptomlose Refraktärphase von einigen Stunden bis zu einem Tag.
Klima:
- Die Beschwerden treten hauptsächlich im Winter auf und bessern häufig im Sommer.
Bei leichten Fällen ist eine medikamentöse Therapie in der Regel nicht notwendig, da die Symptome bei einem Schub rasch verschwinden.
- In der Selbstmedikation können Antihistaminika eingesetzt werden. Hydroxizin wird häufig verwendet, da es nicht nur antihistamin, sondern auch angstlösend und beruhigend wirksam ist. Auch andere Antihistaminika der 1. und 2. Generation wie Cetirizin oder Loratadin sind geeignet. Hohe Dosierungen können notwendig sein. Ein Nachteil dieser Medikamente sind unerwünschte Wirkungen wie Müdigkeit.
- Hautpflegemittel wie zum Beispiel Cremen oder Hydrolotionen pflegen die Haut und können in einem akuten Schub zur Kühlung aufgetragen werden.
- Pflanzliche Beruhigungsmittel können zur Entspannung vorbeugend eingenommen werden, falls Stress ein wichtiger Auslöser ist. Geeignet sind zum Beispiel Baldrian, Melisse, Hopfen, Kalifornischer Mohn, Kava-Kava, Lavendel, Orangenblüten, Passionsblume, Pfefferminze oder Johanniskraut. Adaptogene wie Ginseng, Rosenwurz oder Taigawurzel sollen die Stresstoleranz erhöhen.
Weitere Arzneimittel:
- Auf ärztliche Verordnung können Mastzellstabilisatoren wie Ketotifen oder die Cromoglicinsäure eingesetzt werden.
- Glucocorticoide sind nur bei schweren Verläufen angezeigt.
- Psychopharmaka wie Betablocker oder Antidepressiva können bei Bedarf eingesetzt werden, falls Angst oder Stress ein wichtiger Auslöser ist oder psychische Komplikationen auftreten.
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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