Reisedurchfall Indikationen Magen-Darm-GrippeEine Reisediarrhö ist eine meist bakteriell ausgelöste Durchfallerkrankung, die bei Reisenden aus industrialisierten Ländern auftritt, die ein Risikogebiet besuchen. Übertragen wird sie hauptsächlich durch kontaminierte Lebensmittel. Zur Vorbeugung sollen bestimmte Verhaltensempfehlungen befolgt und Lebensmittel sorgfältig ausgewählt werden. Bei der Behandlung steht der Ausgleich des Flüssigkeits- und Salzverlusts im Vordergrund. Loperamid ist schnell und gut wirksam, Probiotika unterstützen die Darmflora und sind gut verträglich. Antibiotika werden heute selten verwendet.
synonym: Reisedurchfall, Turista, Montezumas Rache, Fluch des Pharao, travellers' diarrhoea
SymptomeEine Reisediarrhö wird in der Regel definiert als eine Durchfallerkrankung, die bei Reisenden aus industrialisierten Ländern während oder nach einem Besuch in einem Risikogebiet wie zum Beispiel Lateinamerika, Afrika, dem Mittleren Osten oder Asien auftritt. Sie ist die häufigste Reiseerkrankung und betrifft 20 bis 60 % der Reisenden. Je nach Erreger und Schweregrad treten auf:
- Wässriger oder schleimig-blutiger Durchfall (bei klassischer Reisediarrhö ≥ 3 x täglich ungeformter Stuhlgang)
Begleitsymptome wie:
- Übelkeit, Erbrechen
- Bauchkrämpfe
- Schmerzhafter Stuhlgang (Tenesmen)
- Fieber, Schüttelfrost
- Blut und Schleim im Stuhl
Der Durchfall tritt in der Regel in den ersten 2 Wochen nach der Ankunft auf. Die mittlere Erkrankungsdauer beträgt 3 bis 4 Tage, die Erkrankung ist meist selbstlimitierend. Es ist zu beachten, dass die Beschwerden je nach Inkubationszeit auch 7 bis 10 Tage nach der Reise auftreten können, vor allem bei einer kurzen Aufenthaltsdauer.
UrsachenIn ca. 80 % der Fälle bakterielle Erreger (Enteropathogene):
- ca. 50-60 % aller Fälle werden durch Escherichia coli ausgelöst, vor allem enterotoxinproduzierende E. coli (ETEC) und EAEC.
- Die zweite grosse Gruppe sind die invasiven bakteriellen Erreger: Shigella, Salomnella und Campylobacter (ca. 10-15% aller Fälle) sowie weitere Bakterien.
- Möglich ist auch Vergiftung durch Toxine, welche in den Lebensmitteln von den Bakterien gebildet wurden (z.B. Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Clostridium perfringens).
- Weitere, nicht bakterielle Erreger sind Protozoen (Giardia lamblia, Entamoeba histolytica, Cryptosporidium) und Viren (Rotavirus, Noroviren).
- Mischinfektionen
- In vielen Fällen konnte kein Erreger nachgewiesen werden.
Die Haupterreger unterscheiden sich von Region zu Region.
ÜbertragungMeist über kontaminierte Nahrungsmittel, seltener über Wasser und Eis.
KomplikationenDie Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend und selten bedrohlich. Trotzdem sind Komplikationen möglich:
- Störung der persönlichen oder geschäftlichen Aktivitäten (Ferien, Sport, Termine)
- Eine Dehydratation ist vor allem bei Kindern, Säuglingen und älteren Menschen gefährlich.
- Lange Krankheitsdauer von über einer Woche bis zu einem Monat
- Chronische Darmprobleme (z.B. Auslösung einer Glutenintoleranz) und Reizdarm als Folge
- Weitere spezifische Komplikationen je nach Krankheitskeim, z.B. Leberabszess und Hirnhautentzündung bei Amöbiasis
- Junges Alter: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (bis 29 Jahre). Der Grund liegt wahrscheinlich in einem schwächeren Immunsystem der Kinder und der Abenteuerlustigkeit jüngerer Leute.
- Keine Reise in Risikogebiete in den letzten 6 Monaten
- Fehlende Sorgfalt bei der Auswahl von Nahrungsmitteln
- Individuelle Veranlagung und Empfindlichkeit
- Jahreszeit: Im Sommer und während der Regenzeit werden mehr Fälle beobachtet
Verhaltens- und Diätempfehlungen können helfen, der Erkrankung vorzubeugen. Sie sind aber nur bedingt wirksam und werden von den Touristen nicht immer befolgt:
- Lebensmittel sollen vor dem Verzehr möglichst ausreichend erhitzt werden (> 70 °C).
- Früchte sollen vor dem Verzehr geschält werden. Erdbeeren, Trauben und Tomaten können nicht ausreichend gesäubert werden. Vom Konsum von Wassermelonen wird abgeraten, da manchmal zusätzliches Wasser reingespritzt wird. Auch auf frische Salate, kalte Saucen, Desserts mit Rahm, nicht pasteurisierte Milchprodukte und nicht gekochtes Fleisch, Geflügel und Fisch sollte verzichtet werden.
- Risikoreich ist auch der Konsum von Lebensmittel, die von Strassenverkäufern angeboten werden.
Wasser und Eis:
siehe auch: Wasserdesinfektion
- Wasser soll abgekocht oder aus geschlossenen Flaschen konsumiert werden. Kein Leitungswasser trinken.
- Wasser mindestens 1 Minute kochen und in einem geschlossenen Behälter aufbewahren.
- Mikrofiltration
- Chemische Aufbereitung
- Eis soll aus abgekochtem Wasser oder aus Wasser aus einer zuverlässigen Quelle (z.B. geschlossene Flaschen) zubereitet werden.
Antibiotika:
Antibiotika haben sich für die Vorbeugung als sehr wirksam erwiesen, da die Mehrzahl der Durchfallerkrankungen von Bakterien ausgelöst wird. Sie sollen jedoch nicht routinemässig und zurückhaltend verabreicht werden. Die Gründe dafür sind die unerwünschten Wirkungen, die Möglichkeit einer Resistenzentwicklung, die Vermittlung einer falschen Sicherheit, die Kosten und der fehlende Effekt bei viralen und parasitären Infekten.
- Chinolone gelten als Mittel der Wahl: Norfloxacin, Ciprofloxacin
Probiotika unterstützen die Darmflora und können eine Reisediarrhö verhindern:
- Einige Impfungen sind im Handel, zum Beispiel gegen Cholera und LT-ETEC. Problem: viele verschiedene mögliche Ursachen.
Gewöhnung (Immunität):
- Bei einem längeren Aufenthalt (z.B. Studienaufenthalt, längerer Militärdienst) entwickelt sich eine Gewöhnung. Die Erkrankungsrate nähert sich jener der lokalen Bevölkerung an.
Die Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend und eine medikamentöse Therapie ist nicht unbedingt notwendig. Im Vordergrund steht der Flüssigkeits- und Elektrolytersatz durch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr oder spezielle Lösungen:
- Fertigprodukte gemässs WHO (ORS) oder im Notfall selbst zubereitete Lösungen
- Bouillon, Brühe, Tee, leichte Kost wie Brot, Bananen, Kartoffeln
- Eine Alternative bei einem schweren Verlauf sind Infusionen
Antidiarrhoica wirken gegen Durchfall:
- Loperamid ist schnell und gut wirksam, sollte aber nicht bei Fieber und Blut im Stuhl eingenommen werden, da die Gefahr besteht, dass die Keime im Darm zurückgehalten werden. Die Behandlung sollte nicht länger als 2 Tage dauern.
- Medizinische Kohle ist ein altes und gut verträgliches Hausmittel, die Wirksamkeit ist aber umstritten.
Probiotika werden auch neben der Prävention auch zur Behandlung verwendet. Sie unterstützen die Darmflora und sind gut verträglich:
Antibiotika werden bei Begleitsymptomen wie Fieber oder Blut im Stuhl (Dysenterie) eingesetzt und verkürzen die Krankheitsdauer. Die Wirkung tritt weniger schnell ein als unter Loperamid (nach 2-3 Tagen). Häufig verwendet werden:
- Chinolone: z.B. Ciprofloxacin, Norfloxacin
- Makrolide: vorwiegend Azithromycin
- Rifaximin ist ein Derivat von Rifamycin, das lokal im Darm wirksam ist.
Antibiotika sollen vom Arzt verschrieben werden. Kontraindikationen und unerwünschte Wirkungen beachten!
Wissenswertes- Basisches Bismutsalicylat (Pepto Bismol®, in der Schweiz nicht im Handel) hat in Untersuchungen eine gute prophylaktische Wirksamkeit gezeigt, es muss aber mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden (u.a. Schwarzverfärbung der Zunge und des Stuhls, Tinnitus). Die Kontraindikationen der Salicylate müssen beachtet werden.
- Nitroimidazole und Paromomycin werden zur Therapie der Amöbiasis verwendet (siehe dort).
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.