Kokain Arzneimittelgruppen Lokalanästhetika Kokain ist ein Alkaloid aus den Blättern des Kokastrauchs Erythroxylum coca. Es wurde früher hauptsächlich als Lokalanästhetikum verwendet. Derzeit ist in der Schweiz kein Arzneimittel mit Kokain mehr im Handel, entsprechende Zubereitungen müssen in einer Apotheke hergestellt werden. Kokain wird aufgrund seiner stimulierenden und euphorisierenden Wirkungen vorwiegend als Rauschmittel missbraucht. Als solches führt es zu zahlreichen unerwünschten Wirkungen und zu einer Abhängigkeit.
synonym: Cocain, Cocainum, Cocaini hydrochloridum PhEur, Cocainhydrochlorid
ProdukteIn der Schweiz sind derzeit keine Fertigarzneimittel mit Kokain mehr im Handel. Sie können jedoch als Magistralrezeptur in einer Apotheke hergestellt werden. Kokain untersteht dem Betäubungsmittelgesetz und ist verschärft verschreibungspflichtig, aber als Arzneimittel nicht verboten. Es wird auch als illegales Rauschmittel auf dem Schwarzmarkt verkauft, oft gestreckt und verunreinigt.
Im Jahr 2020 wurde in den USA die nasale Lösung Numbrino® mit Cocainhydrochlorid als Lokalanästhetikum für die Nasenschleimhaut zugelassen. Das Arzneimittel ist für diagnostische und chirurgische Anwendungen vorgesehen.
In der Pharmazie wird die Substanz in den Arzneibüchern auch als Cocain bezeichnet.
Struktur und EigenschaftenKokain (C17H21NO4, Mr = 303.4 g/mol) gehört wie die Alkaloide der Nachtschattengewächse zu den Tropanalkaloiden. Cocainhydrochlorid liegt als weisses, kristallines Pulver oder farblose Kristalle vor. Es ist sehr leicht löslich in Wasser und leicht löslich in Ethanol 96 %. Es schmilzt bei 197 °C unter Zersetzung.
PflanzeKokain ist ein natürlicher Pflanzeninhaltsstoff, der aus den Blättern des Kokastrauchs Erythroxylum sp. (Familie Erythroxylaceae) gewonnen wird. Die Arzneidroge wird als Cocae folium (Kokablatt) bezeichnet. Der Kokastrauch ist in Südamerika heimisch. Siehe auch im Artikel Kokablätter.
HerstellungKokain wird hauptsächlich illegal in Südamerika hergestellt, unter anderem in Peru, Kolumbien, Ecuador und Bolivien. Dazu werden die Blätter mit einem Lösungsmittel (Kerosin, Benzin) und einer Säure wie der Salzsäure extrahiert. Das Endprodukt ist in der Regel das Salz Cocainhydrochlorid.
Kokablätter mit Kokain, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Zubereitungen- Die älteren Arzneibücher enthalten einige Zubereitungen wie Vinum cocae (Cocawein PH 5) oder Extractum Cocae fluidum PH 4, PH 5.
- Kokain-Augentropfen
- Coca-Cola® enthält nach wie vor einen Extrakt aus Kokablättern, denen das Kokain allerdings entzogen wurde.
- Freebase ist die deprotonierte (alkalische) und rauchbare Form von Kokain. Dazu wird eine wässrige Lösung von Cocainhydrochlorid mit einer Base versetzt (Ammoniak) und mit Ether extrahiert. Nachteil: Rückstände von Ether machen es brennbar (Verbrennungsgefahr beim Rauchen).
- Crack ist wie Freebase die deprotonierte Form von Kokain. Dazu wird einer wässrigen Lösung von Cocainhydrochlorid Natron (Natriumhydrogencarbonat) hinzugefügt. Nach dem Trocknen entsteht eine eine weisse Masse, die geraucht oder inhaliert werden kann (Folienrauchen). Dies führt zu einem raschen High.
„Some laboratory animals, if given a choice, will ignore food and keep taking cocaine until they starve“ (Nestler, 2005)
- stimulierend (aufputschend, leistungssteigernd)
- euphorisierend, dysphorisierend
- lokalanästhetisch (analgetisch)
- vasokonstriktiv (gefässverengend)
- sympathomimetisch
- dopaminerg
- serotoninerg
- appeitithemmend
- psychotrop
- aphrodisierend
- stark suchterregend, vor allem geraucht
- teratogen
Die Effekte treten rasch ein und halten in der Regel nur kurz an. Kokain hat eine kurze Halbwertszeit von etwa 1.5 Stunden.
WirkmechanismusFür die Euphorie und die Erregung von Sucht scheint die dopaminerge Wirkung von Kokain am Nucleus accumbens des limbischen Systems von zentraler Bedeutung zu sein. Kokain führt zu einem High und einer starken Erinnerung daran, wie es entstanden ist (Menschen, Orte, assoziierte Dinge). Daraus entwickelt sich ein starker Wunsch und später ein Zwang, die Einnahme zu wiederholen. Kokain erhöht die Konzentration von Neurotransmittern im synaptischen Spalt, indem es ihre Wiederaufnahme hemmt (z.B. Dopamin, Noradrenalin, Serotonin).
Medizinische IndikationenZur Lokalanästhesie und Gefässverengung, zum Beispiel der Nasenschleimhaut.
MissbrauchAls aufputschendes Rauschmittel, Stimulans, Partydroge und Smart Drug.
DosierungKokain kann als Rauschmittel geschnupft, gespritzt oder peroral eingenommen werden. Es wird gut über Schleimhäute absorbiert. Es kann auch geraucht werden, allerdings nicht als Cocainhydrochlorid, da sich dieses beim Erwärmen zersetzt. Es muss dazu zuerst durch Deprotonierung in die freie Base überführt werden (Crack oder Freebase, siehe oben). Aufgrund der kurzen Wirkdauer wird die Anwendung häufig wiederholt. Kokain wird häufig mit anderen Rauschmitteln kombiniert, beispielsweise mit Alkohol oder Heroin.
Unerwünschte WirkungenAkute und chronische unerwünschte Wirkungen (Missbrauch):
- Gewöhnung, starke Abhängigkeit, Sucht, Craving
- Schlafstörungen bis zur absoluten Schlaflosigkeit, Erregung, Redezwang, Reizbarkeit, Angst, Erschöpfung, Aggressivität, Desorientierung, Halluzinationen, Krämpfe, Tremor, Depression, Hyperaktivität, Psychosen, Zwangstörungen, Manie, Paranoia, Verfolgungswahn, Hyperthermie, Delirium, Rhabdomyolyse, Bewusstlosigkeit, Tod
- Kognitive Störungen (Entscheidungsfindung, Probleme lösen, abstraktes Denken)
- Kardiovaskuläre Toxizität: Brustschmerzen, Verlängerung des QT-Intervalls, Arrhythmien, Gefässverengung, schneller Puls, Bluthochdruck, Myokarditis, kardiale Ischämie, Angina pectoris, Herzinfarkt, plötzlicher Tod
- Atemwege: Bronchienverengung, Verschlechterung von Asthma, Verbrennungen, alveoläre Blutungen, Atemnot, Atemdepression, Atemstillstand
- Nase: Perforation des Nasenseptums
- Augen: Pupillenerweiterung
- Gastrointestinaltrakt: Appetitmangel, intestinale Ischämie, Übelkeit und Erbrechen
- Weitere unerwünschte Wirkungen durch Verunreinigungen und Zusätze, wie z.B. Lokalanästhetika, Talk, Zucker, Chinin, Strychnin.
- Kokablätter
- Sigmund Freud und das Cocain: Wie die lokalanästhetische Wirkung des Kokains entdeckt wurde.
- Cocaethylen ist ein Metabolit, der beim Mischkonsum mit Alkohol gebildet wird
- Carrera M.R., Meijler M.M., Janda K.D. Cocaine pharmacology and current pharmacotherapies for its abuse. Bioorg Med Chem. 2004, 12(19), 5019-30 Pubmed
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- Pendergrast M. For god, country, and Coca-Cola: the definitive history of the great american soft drink and the company that makes it. New York: Basic Books, 2000
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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