Gicht IndikationenGicht ist eine entzündliche Erkrankung der Gelenke, die sich akut in starken Schmerzen, Schwellung und Rötung äussert. Die Ursache der Stoffwechselerkrankung ist eine Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blut und eine entzündliche Ausfällung von Uratkristallen in den Gelenken und anderen Geweben. Zur medikamentösen Akutbehandlung werden nicht-steroidale Entzündungshemmer, Glucocorticoide und Colchicin eingesetzt. Bei wiederkehrenden Anfällen gilt Allopurinol als Mittel der 1. Wahl zu Vorbeugung. Alternativ stehen Febuxostat und Probenecid zur Verfügung.
synonym: Arthritis urica, Gicht-Arthritis, Akuter Gichtanfall, Urikopathie, Tophöse Gicht
SymptomeGicht ist eine entzündliche Erkrankung der Gelenke, die sich akut in Anfällen mit starken Schmerzen äussert, die sich bei Druck, Berührung und Bewegung verschlimmern. Die Gelenke sind entzündlich geschwollen, die Haut ist gerötet und warm. Fieber wird beobachtet. Gicht beginnt häufig an den unteren Extremitäten und am Grosszehengrundgelenk (Podagra). Die spitzen Uratkristalle können sich in Geweben und Gelenken ablagern und sichtbare Knoten (Tophi) bilden, was schliesslich zu einer Deformation und einer eingeschränkten Beweglichkeit führen kann.
Komorbiditäten wie zum Beispiel ein hoher Blutdruck und das metabolische Syndrom sind häufig und Gicht ist möglicherweise mit schweren Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. Weitere mögliche Folgebeschwerden sind Nierensteine, Nierenerkrankungen und Gelenkschäden. Es handelt sich um eine destruktive Erkrankung. Eine unbehandelte Gicht kann sich mit der Zeit zunehmend verschlechtern und mehrere Gelenke betreffen.
UrsachenUrsache der Erkrankung ist eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut (Hyperurikämie, > 6.5-7.0 mg/dl Serum), die zur Auskristallisierung von Natriumuratkristallen und dadurch zu entzündlichen Reaktionen führt. Eine asymptomatische Hyperurikämie kommt jedoch häufig vor und ist nicht mit Gicht gleichzusetzen, da sie nur bei einer Minderheit der Patienten tatsächlich zu der Erkrankung führt.
Eine Hyperurikämie entsteht aufgrund einer vermehrten Bildung oder einer verminderten Ausscheidung von Harnsäure über die Niere. Die Störung der Ausscheidung ist dabei von wesentlich grösserer Bedeutung.
Harnsäure ist ein Abbauprodukt der körpereigenen Purine (Adenosin, Guanosin), die zudem in einigen Lebensmitteln enthalten sind, z.B. in Fleisch, Innereien wie Leber, Meeresfrüchten, Sardinen und Pilzen. Die meisten Säugetiere überführen Harnsäure mit der Uricase in das wasserlösliche Allantoin, das leicht über die Nieren eliminiert wird. Beim Menschen fehlt dieses Enzym, weil das entsprechende Gen inaktiviert ist.
RisikofaktorenZu den möglichen Risikofaktoren gehören:
- Bestimmte Medikamente, z.B. Diuretika, tief dosierte Acetylsalicylsäure, Ciclosporin
- Eine purinreiche Ernährung (Fleisch), Alkohol (v.a. Bier, Spirituosen), Fructose
- Nierenerkrankungen
- Dehydratation
- Familiäre Belastung
- Männliches Geschlecht
Bei Frauen erhöht sich das Risiko erst nach der Menopause. Es ist bekannt, dass Patienten mit dem metabolischen Syndrom (Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, hoher Blutdruck, hoher Blutzucker) häufiger an Gicht leiden.
DiagnoseDie Diagnose wird anhand des klinischen Bildes, einer Bestimmung der Harnsäure im Serum, mit bildgebenden Verfahren und durch den Nachweis von Uratkristallen in der Gelenkflüssigkeit gestellt. Zu den möglichen Differentialdiagnosen gehören unter anderem die Pseudogicht, Zellulitis, Arthrose, Borreliose (Lyme-Arthritis), Psoriasisarthritis und andere Arthritiden, Infektionskrankheiten sowie Bursitis. Gemäss der Literatur wird die Erkrankung häufig fehldiagnostiziert.
Nicht-medikamentöse Behandlung- Übergewicht und weitere Risikofaktoren behandeln. Das Gewicht soll nur langsam reduziert werden.
- Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
- Purinverzehr einschränken.
- Alkohol und vor allem Bier (hoher Puringehalt) und Spirituosen meiden, ein Glas Wein ist erlaubt.
- Fructosereiche Getränke meiden.
- Körperliche Bewegung.
- Ausreichende Zufuhr von Milchprodukten und Vitamin C. Kaffee ist ebenfalls protektiv.
Im Anfall wird die Auflage kühler Kompressen zur Kühlung und Schmerzlinderung empfohlen. Die akuten Beschwerden gehen in der Regel auch ohne Behandlung innert 5 bis 10 Tagen vorbei.
Medikamentöse BehandlungDie medikamentöse Therapie sollte beim akuten Gichtanfall so rasch wie möglich eingeleitet werden. Ziel ist es, die starken Schmerzen schnell und zuverlässig zu beseitigen.
Nicht steroidale Entzündungshemmer wie Indometacin, Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen sind schmerzlindernd und entzündungshemmend. Sie werden in der Regel oral eingenommen, können aber auch lokal aufgetragen werden. Acetylsalicylsäure wird nicht empfohlen, weil sie den Harnsäurespiegel erhöhen kann. COX-2-Hemmer wie Etoricoxib sind für diese Indikation ebenfalls freigegeben.
Glucocorticoide wie Prednisolon oder Prednison werden oral verabreicht, Methylprednisolon kann auch direkt in die betroffenen Gelenke gespritzt werden
Colchicin ist für die Vorbeugung und Behandlung geeignet. Bei der Anwendung müssen aufgrund der engen therapeutischen Breite und der Gefahr einer Vergiftung die Vorsichtsmassnahmen genau beachtet werden.
Opioide sind ausschliesslich schmerzlindernd und können ergänzend bei starken Schmerzen zum Einsatz kommen.
Medikamentöse VorbeugungFür die Vorbeugung wiederkehrender Gichtanfälle und zur Elimination der Ablagerungen gilt das Urikostatikum Allopurinol (Zyloric®, Generika) als Mittel der Wahl. Die Wirkung beruht auf der Hemmung der Xanthinoxidase, was eine Senkung des Harnsäurespiegels im Blut bewirkt. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen und selten schwere Überempfindlichkeitsreaktionen. Die Behandlung soll erst nach dem vollständigen Abklingen eines Anfalls eingeleitet werden, da sich der Anfall sonst verschlechtern kann.
Eine Alternative ist Febuxostat (Adenuric®), ein Xanthinoxidasehemmer ohne Purinstruktur → siehe unter Febuxostat
Das Urikosurikum Probenecid (Santuril®), das die Ausscheidung von Harnsäure an der Niere begünstigt, wird in der Praxis seltener verwendet. Benzbromaron (Desuric®, ausser Handel), ebenfalls ein Urikosurikum, ist in der Schweiz aufgrund seiner Lebertoxizität nicht mehr erhältlich. Auch Sulfinpyrazon (Anturan®) ist in der Schweiz schon lange nicht mehr verfügbar.
Losartan kann bei einer begleitenden Hypertonie eingesetzt werden, da es ebenfalls die Eigenschaft hat, die Ausscheidung der Harnsäure zu fördern.
Die Pegloticase ist eine rekombinante Uricase, die zur Behandlung einer schweren Gicht zugelassen ist. Das Enzym katalysiert die Bildung von Allantoin aus Harnsäure (siehe oben). Rasburicase (Fasturtec®) ist in der Schweiz freigegeben, aber bei Gicht bisher nicht indiziert.
URAT1-Inhibitoren: Lesinurad (Zurampic®, ausser Handel) ist ein selektiver URAT1-Inhibitor. Er hemmt die Reabsorption der Harnsäure an der Niere und fördert so ihre Ausscheidung über den Harn. Lesinurad wurde auch mit Allopurinol kombiniert. In der Schweiz wird Lesinurad nicht mehr vertrieben.
siehe auchHarnsäure, Colchicin, Allopurinol, Febuxostat, Probenecid, Gelenkschmerzen
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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