Appetitlosigkeit Indikationen
synonym: Appetitmangel, Inappetenz, Appetitverlust, Essunlust, Anorexia
SymptomeAppetitlosigkeit bezeichnet das fehlende oder eingeschränkte Bedürfnis, flüssige oder feste Nahrung zu sich nehmen. Sie kann von schneller Sättigung, Geruchs- und Geschmacksveränderungen, Aversion, Übelkeit und Erbrechen begleitet sein.
Die reduzierte Nahrungsaufnahme führt längerfristig zu zahlreichen Komplikationen wie Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust, Verlust der Muskelmasse, Mangelzustände wie Anämie, Verlust von Lebensqualität und Anfälligkeit für Krankheiten.
UrsachenDie Ursachen für Appetitlosigkeit sind zahlreich:
- Sekundär als Folge einer Erkrankung, z.B. Krebs, Magen-Darm-Beschwerden (Magen-Darm-Grippe), Magengeschwür, Gallensteine, Halsschmerzen, Schluckschwierigkeiten, Hepatitis, Geschmacksstörungen, reduzierter Geschmacks- und Geruchssinn, Mundtrockenheit, Karies und Infektionskrankheiten.
- Als Folge psychischer Probleme oder zentralnervöser Erkrankungen: Gemütszustand, Stress, Aufregung, Depression und Demenz.
- Zahlreiche Medikamente können den Appetit reduzieren, z.B. Sympathomimetika, Methylphenidat (etwa Ritalin®, bei Kindern), einige Antidepressiva (SSRI) und Sedativa.
- Physiologische Appetitlosigkeit im Alter
- Diäten, z.B. salzlos, fettfrei, glutenfrei
- Nach einer Narkose
- Schlecht sitzende Prothesen
- Allfällige Diäten aufheben, Lieblingsgerichte kochen
- Flüssige und pürierte Speisen
- Geschmacksverstärker, Gewürzkräuter
- Gewicht regelmässig kontrollieren, evt. mit einem Tagebuch
- Ernährungsberatung
- Bewegung und Sport fördern den Appetit
- Parenterale Ernährung oder Sondenernährung
- Berücksichtigung sozialer Faktoren
Bittermittel wie zum Beispiel Wermut, Angelika, Schafgarbe, Enzian und bittere Schleifenblume als Tee oder Tinktur wirken appetitanregend, wenn sie etwa eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten eingenommen werden. Sie sollen nicht bei Patienten mit einem Magengeschwür angewandt werden.
Prokinetika wie Metoclopramid (Paspertin®, Generika) und Domperidon (Motilium®) fördern die Motilität des Verdauungstrakts und sind gegen Übelkeit und Erbrechen wirksam.
Einge Antidepressiva wie zum Beispiel Mirtazapin können den Appetit erhöhen. Vorsicht: Einige Antidepressiva wie die SSRI können auch Appetitlosigkeit verursachen.
Gestagene wie Medroxyprogesteron und Megestrolacetat sind klinisch vergleichsweise gut untersucht. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig aufgeklärt.
Glucocorticoide wie Dexamethason, Methylprenisolon und Prednisolon
Dronabinol ist in den USA zur Behandlung der Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei AIDS-Patienten und als Mittel der 2. Wahl gegen Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie zugelassen. In der Schweiz ist die Anwendung mit einer Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit möglich.
Appetitanregende Antihistaminika und Anticholinergika wie die strukturell ähnlichen Wirsktoffe Cyproheptadin (USA) und Pizotifen (Mosegor®) sind in der Schweiz nicht resp. nicht mehr im Handel. Ketotifen ist eine mögliche Alternative, aber nicht in dieser Indikation zugelassen.
Trinknahrung wie zum Beispiel Fresubin® und Resource® substituiert die essentiellen Nahrungsbestandteilen wie Fette, Proteine, Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralstoffe. In der Regel ersetzt eine Portion eine Mahlzeit. Als Ersatz können auch Energieriegel und hochkalorische Suppen verwendet werden.
Multivitaminpräparate enthalten ein breites Spektrum an Vitaminen und Mineralstoffen und werden zur Vorbeugung eines Mangels eingesetzt. Falls bereits ein Mangel vorliegt, wird er gezielt mit Monopräparaten behandelt.
Weitere Wirkstoffe, die in der Literatur erwähnt sind:
- Ghrelin und Gherlin-Agonisten
- Anabole Steroide, Oxandrolon
- Omega-3-Fettsäuren wie EPA und DHA
- Aminosäuren
- Melatonin
- Pentoxifyllin
- Thalidomid
- Erythropoietin
- Adams L.A., Shepard N., Caruso R.A., Norling M.J., Belansky H., Cunningham R.S. Putting evidence into practice: evidence-based interventions to prevent and manage anorexia. Clin J Oncol Nurs, 2009, 13(1), 95-102 Pubmed
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Chapman I.M. The anorexia of aging. Clin Geriatr Med, 2007, 23(4), 735-56, v Pubmed
- Jatoi A. Pharmacologic therapy for the cancer anorexia/weight loss syndrome: A data-driven, practical approach. J Support Oncol, 2006, 4(10), 499-502 Pubmed
- Morley J.E. Pathophysiology of anorexia. Clin Geriatr Med, 2002, 18(4), 661-73, v Pubmed
- Muscaritoli M. et. al. Consensus definition of sarcopenia, cachexia and pre-cachexia: joint document elaborated by Special Interest Groups (SIG) "cachexia-anorexia in chronic wasting diseases" and "nutrition in geriatrics". Clin Nutr, 2010, 29(2), 154-9 Pubmed
- Spiller R.C. ABC of the upper gastrointestinal tract: Anorexia, nausea, vomiting, and pain. BMJ, 2001, 323(7325), 1354-7 Pubmed
- Sudi K., Ottl K., Payerl D., Baumgartl P., Tauschmann K., Müller W. Anorexia athletica. Nutrition, 2004, 20(7-8), 657-61 Pubmed
- Thomas D.R. Anorexia: aetiology, epidemiology and management in older people. Drugs Aging, 2009, 26(7), 557-70 Pubmed
- Visvanathan R, Chapman IM. Undernutrition and anorexia in the older person. Gastroenterol Clin North Am, 2009, 38(3), 393-409 Pubmed
- Yavuzsen T., Davis M.P., Walsh D., LeGrand S., Lagman R. Systematic review of the treatment of cancer-associated anorexia and weight loss. J Clin Oncol, 2005, 23(33), 8500-11 Pubmed
- Zigman J.M., Elmquist JK. Minireview: From anorexia to obesity--the yin and yang of body weight control. Endocrinology, 2003, 144(9), 3749-56 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.