Spannungskopfschmerz Indikationen KopfschmerzenEin Spannungskopfschmerz ist ein beidseitiger, milder bis mittelschwerer Kopfschmerz, der wie ein Band von der Stirne ausgeht und bis zum Hinterkopf reicht. Der Schmerz ist ziehend, drückend und beengend. Typische Zeichen der Migräne wie einseitige und pulsierende Schmerzen, Aura, Übelkeit und Erbrechen fehlen, aber eine leichte Licht- oder Lärmempfindlichkeit und leichte Übelkeit können vorkommen. Zur Behandlung werden hauptsächlich Schmerzmittel wie zum Beispiel Ibuprofen oder Paracetamol eingesetzt. Bei chronischen Beschwerden gilt das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin als Mittel der 1. Wahl zur Vorbeugung. Die Kombination von Schmerzmitteln mit Coffein oder Beruhigungsmitteln kann die Wirksamkeit erhöhen. Diese Präparate sollen aber zurückhaltend eingesetzt werden, da sie eine Abhängigkeit vom Schmerzmittel und einen Schmerzmittel-Kopfschmerz begünstigen können.
synonym: Kopfschmerz vom Spannungstyp, Muskelkontraktionskopfschmerz, Stress-Kopfschmerz, Stressabhängiger Kopfschmerz, psychogener Kopfschmerz, tension headache, tension-type headache, TTH
SymptomeSporadisch, häufig oder chronisch auftretend:
- Ein beidseitiger Schmerz, der von der Stirne ausgeht und sich entlang der Seiten des Kopfes bis zum Hinterhauptsbein an der Rückseite des Schädels erstreckt.
- Schmerzqualität: ziehend, drückend, beengend, nicht pulsierend
- Dauer zwischen 30 Minuten und 7 Tagen
- Milde bis mittelschwere Schmerzen, normale Tagesaktivitäten sind möglich
- Ausstrahlung in die Nackenmuskulatur, Verspannungen
Spannungskopfschmerz ist die häufigste Kopfschmerzart.
UrsachenDie Ursachen sind nicht genau bekannt. Diskutiert werden zentrale, psychische und muskuläre Faktoren.
KomplikationenEin selten auftretender Spannungskopfschmerz ist relativ unproblematisch und kann gut selbst mit einem angemessenen Gebrauch von Schmerzmitteln behandelt werden. Die Patientinnen gehen oft erst in ärztliche Behandlung, wenn die Häufigkeit der Schmerzanfälle zunimmt.
Der chronische Spannungskopfschmerz ist seltener und zeichnet sich aus durch sehr häufige Schmerzen (≥ 15 Tage im Monat), eine höhere Morbidität und eine starke Einschränkung der privaten und professionellen Aktivitäten. Es treten auch psychische Komorbiditäten wie Stress, Angst und Depression auf.
Bei einem häufigen Schmerzmittelgebrauch kann ein Medikamentinduzierter Kopfschmerz und eine Schmerzmittelabhängigkeit entstehen. Dies ist deshalb problematisch, weil die regelmässige Einnahme von Schmerzmitteln zu schweren unerwünschten Wirkungen führen kann, unter anderem zu Magen-Darm-Geschwüren, Leber- und Nierenschäden.
AuslöserIn Untersuchungen wurden diese Auslöser häufig genannt:
- Physischer oder emotionaler Stress, Spannungszustände, psychische Probleme, Überforderung
- Unregelmässige Mahlzeiten
- Rauchen, hoher Kaffee- oder Coffeinkonsum
- Dehydratation
- Schlafstörungen
- Hormone (weiblicher Zyklus, Hormonersatztherapie)
- Vererbung
- Das Geschlecht spielt eine geringere Rolle als bei der Migräne, von der vor allem Frauen betroffen sind.
Im Unterschied zur Migräne treten beim Spannungskopfschmerz keine visuelle Störungen, Übelkeit oder Erbrechen auf. Eine leichte Licht- oder Lärmempfindlichkeit oder Übelkeit kann vorkommen. Der Migräne-Kopfschmerz ist in der Regel einseitig und die Schmerzqualität ist pochend-pulsierend. Die Unterscheidung von einer Migräne ohne Aura ist aber nicht immer einfach.
Einfacher Score zur raschen Erkennung einer Migräne: Link zum PharmaWiki Tool
Zahlreiche Erkrankungen und Zustände können Kopfschmerzen auslösen. Viele sekundäre Kopfschmerzen wie beispielsweise durch stark erhöhten Blutdruck ausgelöste Kopfschmerzen äussern sich ähnlich wie ein Spannungskopfschmerz und sollen bei der Diagnose ausgeschlossen werden.
Ein wertvolles Hilfsmittel zur Diagnose und Verlaufskontrolle ist ein Kopfschmerz-Tagebuch. Es ermöglicht die Abschätzung der Häufigkeit, kann bei der Identifizierung von Auslösern helfen und zeigt einen Medikamentenübergebrauch an. Zudem zeigt es im Vergleich die Wirksamkeit der Behandlung auf.
Nicht medikamentöse VorbeugungEntspannungstechniken und physikalische Methoden gelten als wirksam zur Vorbeugung chronischer Spannungskopfschmerzen. Sie werden auch in Kombination mit Medikamenten angewendet.
- Entspannungstechniken: Autogenes Training, meditative Verfahren, Hypnose, Biofeedback
- Stressmanagement
- Ausdauertraining
- Akupunktur
- Wärme oder Kälte
- Massage
- Physiotherapie
- TENS
Eine medikamentöse Vorbeugung sollte bei einem chronisch wiederkehrenden Spannungskopfschmerz in Betracht gezogen werden. Eine weitere Indikation sind häufige Kopfschmerzen, die schlecht auf Schmerzmittel ansprechen.
- Amitriptylin wird am häufigsten verwendet und gilt als Mittel der 1. Wahl. Der Dosierungsbereich liegt bei 25-150 mg pro Tag. Ein Nachteil stellen unerwünschte Wirkungen wie Verstopfung, Mundtrockenheit, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Müdigkeit dar. Um Müdigkeit tagsüber zu vermeiden, kann das Präparat abends vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Es hat allerdings eine lange Halbwertszeit. Alternativ werden andere Antidepressiva wie Clomipramin, Nortriptylin, Doxepin, Maprotilin und Mianserin eingesetzt. Die Wirksamkeit der SSRI konnte bisher nicht zuverlässig nachgewiesen werden.
Weitere:
- Botulinumtoxin wird zur Vorbeugung und Behandlung eingesetzt, die Wirksamkeit ist aber wissenschaftlich noch nicht bestätigt worden, weshalb von der Anwendung bisher abgeraten wird.
- Topiramat hat in einer Studie eine gewisse Wirksamkeit gezeigt, dies muss aber noch bestätigt werden.
Schmerzmittel (NSAR und Paracetamol) sind nachgewiesenermassen wirksam. Ibuprofen und Paracetamol werden häufig als Mittel der ersten Wahl genannt. Welches Mittel für den Patienten am besten wirksam und verträglich ist, muss aber individuell bestimmt und ausprobiert werden. Es wird empfohlen, Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen an maximal 4 bis 10 Tagen pro Monat einzunehmen, um die Entstehung eines Medikamentinduzierten Kopfschmerzes zu vermeiden. Unerwünschte Wirkungen treten vor allem bei regelmässiger Einnahme auf:
Beruhigungsmittel und Coffein verstärken die Wirkung der Schmerzmittel, erhöhen aber gleichzeitig das Risiko für die Entstehung eines medikamentinduzierten Kopfschmerzes:
- Sedierende Antihistaminika: Chlorphenamin ist in der Schweiz in Kombination mit Paracetamol und Coffein zur Behandlung von Migräne zugelassen. Das Präparat kann Off-Label auch zur Behandlung von Spannungskopfschmerzen verwendet werden. Diphenhydramin ist eine Alternative, aber in der Schweiz nicht in Kombinationspräparaten zur Behandlung von Kopfschmerzen im Handel.
- Barbiturate: Präparate mit Butalbital sind in der Schweiz nicht mehr im Handel. Cafergot-PB® enthielt Butalbital, Belladonnaalkaloide, Ergotamintartrat und Coffein. Es wurde zur Behandlung der Migräne eingesetzt und ist seit 2007 ausser Handel.
- Coffein erhöht die Wirksamkeit der Schmerzmittel und ist in einigen Kombinationspräparaten enthalten. Der Dosierungsbereich liegt bei 50 bis 200 mg. Coffein kann auch über ein coffeinhaltiges Getränk zu sich genommen werden, z.B. 1 bis 2 Tassen Kaffee. Schwarztee enthält etwas weniger Coffein als Kaffee, Colagetränke sind eine weitere Alternative.
Muskelrelaxantien und Spasmolytika sind umstritten. Die meisten Autoren raten von einer Anwendung ab.
Alternative Therapeutika wie zum Beispiel Homöopathika oder Anthroposophika können einigen Patienten Linderung bringen.
Pflanzliche Präparate- Kopfwehöl mit Pfefferminzöl (siehe dort)
- Coffeindrogen (s. oben)
- Wärmebehandlung zum Beispiel mit wärmenden Salben bei Verspannungen.
- Weidenrinde
- Pflanzliche Sedativa wie zum Beispiel Baldrian, Melisse, Hopfen und Pestwurz.
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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- The International Headache Society
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.