Schwitzen IndikationenMenschen, die übermässig schwitzen, leiden häufig an einer so genannten primären Hyperhidrose. Dabei wird vor allem an den Handflächen, Fusssohlen und Achseln mehr Schweiss gebildet, als für die normale Regulation der Körpertemperatur notwendig wäre. Je nach Ausmass kann dies für die Betroffenen im Alltag eine grosse Belastung darstellen. Zur symptomatischen Behandlung stehen eine Reihe innerlich und äusserlich angewendeter Arzneimittel zur Verfügung. Bei der Abklärung muss beachtet werden, dass vermehrtes Schwitzen auch sekundär als Folge zahlreicher Erkrankungen ausgelöst wird.
synonym: Hyperhidrosis, Diaphorese
Physiologischer HintergrundSchweiss wird von Millionen ekkrinen Schweissdrüsen gebildet, die über den ganzen Körper verteilt sind und besonders zahlreich an den Handflächen und Fusssohlen, im Gesicht und in den Achselhöhlen vorkommen. Die ekkrinen Schweissdrüsen sind spiralige und geknäuelte Drüsen, die direkt an der Hautoberfläche münden. Sie sind von cholinergen Nervenfasern des Sympathikus innerviert und werden sowohl direkt durch cholinerge Substanzen wie auch indirekt durch Adrenalin und Sympathomimetika stimuliert. Die Schweissbildung unterliegt der zentralen Kontrolle durch den Hypothalamus. Schweiss kühlt durch Verdunstung ab und wirkt einer Überhitzung entgegen.
SymptomeStarkes Schwitzen äussert sich in einer übermässigen Schweissabsonderung, besonders an den Handflächen, an den Fusssohlen und in den Achselhöhlen.
UrsachenEine primäre (essentielle) Hyperhidrose ist ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) und ohne Begleitsymptome. Sie beginnt in der Regel im Kindesalter oder in der Adoleszenz. Sekundär kann starkes Schwitzen von einer Reihe von Erkrankungen oder Substanzen ausgelöst werden. Gemäss Schätzungen sind zwischen 1 bis 3 % der Bevölkerung betroffen.
KomplikationenZu den Komplikationen gehören ein Schamgefühl, eine Frustration, ein sozialer Rückzug, ein tiefes Selbstwertgefühl, Depressionen und Schwierigkeiten bei der Arbeit.
Das Schwitzen begünstigt die Entstehung von Hauterkrankungen wie Ekzeme, Mazeration, Pilzinfektionen, bakterielle Hauterkrankungen und eine Intertrigo (Hautwolf).
DifferentialdiagnosePhysiologisches Schwitzen:
- Emotionen
- Warme Umgebung oder Kleidung
- Sport
- Körperliche Aktivität
- zum Beispiel Cholinesterase-Hemmer, Antidepressiva wie die SSRI, SSNRI und trizyklische Antidepressiva, Opioide, Tramadol
Sekundär kann starkes Schwitzen unter anderem ausgelöst werden durch:
- Fieber
- Menopause
- Schilddrüsenüberfunktion, Thyreotoxikose
- Diabetes, bei Unterzuckerung
- Gigantismus, Akromegalie
- Übergewicht, Adipositas
- Herz-Kreislaufstörungen (Herzinsuffizienz, myokardiale Ischämie)
- Ateminsuffizienz
- Morbus Hodgkin, Neoplasmen, Phächromozytom
- Gustatorische und olfaktorische Hyperhidrose
- Kälteinduzierte Hyperhidrose
- Dermatologische Erkrankungen
- Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Brucellose)
- Rückenmarksverletzungen
- Neurologische Störungen: Fokale Hirnläsionen (z.B. Hypothalamus)
- Die Iontophorese mit Leitungswasser ist wirksam. Dabei wird die Haut mit einem Wasserbad oder Schwamm befeuchtet und ein Strom angelegt. Die Therapie kann in ärztlicher Behandlung oder zuhause durchgeführt werden.
- Chirurgische Methoden: Entfernung der Schweissdrüsen, Durchtrennung der sympathischen Nervenfasern
- Methoden zum Abbau von Stress, falls Emotionen das Schwitzen auslösen
Vorbeugung: Leichte Kleidung tragen, kühle Umgebungstemperatur
Medikamentöse BehandlungSchweisshemmende Mittel (Antihidrotika):
Äusserliche Behandlung:
Gerbstoffe verschliessen die Schweissdrüsen:
- Aluminiumchlorid (Lösung 20 bis 25 %) gehört zu den am häufigsten angewendeten Mitteln. Die Hauptwirkung liegt im Verschluss der Schweissdrüsen. Es wird täglich oder im Abstand weniger Tage abends aufgetragen und morgens mit Seife und Wasser abgewaschen. Aluminiumchlorid ist in tieferer Konzentration auch in den meisten Deodorants enthalten und wird bei normalem Schwitzen angewendet. Als unerwünschte Wirkungen können lokale Reizungen auftreten.
- Weitere Aluminiumsalze wie Alaun (Alaun-Deodorantstift)
- Methenamin setzt in saurer Umgebung Formaldehyd frei, das Eiweisse fällt und so zum Verschluss der Schweissdrüsen führt.
- Synthetische Gerbstoffe
- Weniger häufig verwendet: Borsäure, Resorcinol, Tanninsäure, Kaliumpermanganat und andere Gerbstoffe.
- Glycopyrroniumbromid (Axhidrox® Creme)
- Sofpironiumbromid (Sofdra® Gel)
Innerliche Behandlung:
- wie z.B. Atropin oder Oxybutynin hemmen die cholinerge Signalübertragung zur Schweissdrüse und damit die Schweissproduktion. Allerdings sind unerwünschte Wirkungen wie Sehstörungen, Mundtrockenheit, Verstopfung und Harnverhaltung möglich. Anwendungseinschränkungen und Arzneimittel-Wechselwirkungen müssen beachtet werden. Sie werden auch lokal angewendet, zum Beispiel bei der Iontophorese.
- ist wirksam und bei Hyperhidrose der Achselhöhlen zugelassen. Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin aus den sympathischen Nervenendigungen und somit die Aktivierung der Schweissdrüsen. Das Toxin wird in fachärztliche Behandlung lokal in die Haut gespritzt. Die Wirkung tritt nach etwa einer Woche ein und hält zwischen 4-7 Monaten an. Zu den Nachteilen gehören die Applikationsart, mögliche unerwünschte Wirkungen wie Muskelschwäche und die Kosten für die Behandlung.
- wird in der Phytotherapie als Tee oder in Form von Extrakten angewendet. Salbei ist gut verträglich, sollte aber während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingesetzt werden. Der Tee sollte kalt getrunken werden, da durch die zugeführte Wärme ein Schweissausbruch ausgelöst werden kann.
- falls Stress und Emotionen Auslöser sind
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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