Blasenentzündung


synonym: Zystitis
SymptomeAkute, unkomplizierte Blasenentzündungen zählen zu den häufigsten Infektionskrankheiten bei Frauen. Als unkompliziert oder einfach wird eine Blasenentzündung bezeichnet, wenn der Harntrakt funktionell und strukturell normal ist und keine Krankheiten vorliegen, welche die Infektion begünstigen, zum Beispiel ein Diabetes mellitus oder eine Immunsuppression. Zu den Symptomen gehören:
- Schmerzhafte, häufige und erschwerte Harnentleerung
- Starker Harndrang
- Schmerzen oberhalb des Schambeins (Unterbauchschmerzen)
- Kein vaginaler Juckreiz oder Ausfluss
Der Urin ist häufig trüb, verfärbt, übel riechend und kann Blut enthalten. Im Harn sind Bakterien und weisse Blutkörperchen nachweisbar. Der Allgemeinzustand der Patientinnen ist in der Regel gut, es tritt kein Fieber auf und die oberen Harnwege werden nur selten betroffen. Die Infektion heilt innert Tagen bis Wochen auch spontan ohne Behandlung ab. Etwa 20 % der Frauen, die einmal eine Blasenentzündung hatten, erkranken innert einiger Monate wieder an einer.
Harnblase, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
UrsachenDie Ursache der akuten Blasenentzündung ist eine Besiedelung der sonst sterilen Blase mit Bakterien. Die weitaus am häufigsten nachgewiesenen Erreger sind die gramnegativen uropathogenen Escherichia coli. Die Infektion erfolgt in der Regel aufsteigend über die Harnröhre. Die Bakterien müssen sich dazu am Urothel mit Pili festhalten (Abbildung 1, zum Vergrössern anklicken).
Abbildung © Lucille Solomon, 2012 https://www.lucille-solomon.com
Zu den Risikofaktoren gehören für eine Blasenentzündung gehören:
- Geschlechtsverkehr
- Verzögerte Blasenentleerung nach dem Geschlechtsverkehr
- Verwendung von Diaphragmen und Spermiziden
- Anatomische Besonderheiten
- Grundkrankheiten
- Immunsuppression
- Diabetes mellitus
- Harnsteine
- Katheter
- Aggressive Intimhygiene
- Schwangerschaft
- Östrogenmangel
- Seltene Blasenentleerung
- Blasenentzündungen in der Patientengeschichte
- Genetische Veranlagung
Die Diagnose erfolgt in ärztlicher Behandlung anhand der Symptome, der Patientengeschichte, mit einem Streifentest oder mit einer Urinkultur.
Besteht der klinische Verdacht auf eine akute Blasenentzündung bei einer erwachsenen, nicht schwangeren und sonst gesunden Frau, wird eine empirische Kurzzeittherapie mit Antibiotika ohne Laboruntersuchung durchgeführt.
Bei mangelndem Ansprechen auf die empirische Behandlung kann der Erreger anhand einer Urinkultur bestimmt und seine Empfindlichkeit auf Antibiotika getestet werden.
Für einen Selbsttest stehen in Apotheken Streifentests zu Verfügung, die Nitrit und Leukozyten im Urin nachweisen. Nitrit wird von Bakterien aus Nitrat gebildet und Leukozyten, die weissen Blutkörperchen, sind Indikatoren für eine akute Infektion. Falsch negative und falsch positive Resultate sind jedoch möglich und es muss beachtet werden, dass andere, auch schwerwiegende Erkrankungen, ähnliche Symptome verursachen.
Immer zum Arzt oder zur Ärztin sollen:
- Kinder, Jugendliche, Männer, ältere Menschen.
- Patientinnen mit einem schlechten Allgemeinzustand, zum Beispiel mit Fieber und Rückenschmerzen.
- Patientinnen, bei denen die Therapie versagt hat.
- Patientinnen mit Grunderkrankungen oder häufig wiederkehrenden Infekten.
- Immunsupprimierte Patientinnen.
- Patientinnen mit Nierenerkrankungen (Nieren- und Blasensteinen) und früheren Pyelonephritiden.
- Patientinnen mit Blasenkathetern.
- Schwangere Frauen.
Zu den möglichen Differentialdiagnosen gehören unter anderem eine Entzündung der Vagina (zusätzlich mit vaginalen Reizungen, Ausfluss), der Harnröhre, ein Diabetes, eine komplizierte Blasenentzündung und eine hyperaktive Blase.
Fieber, Rückenschmerzen, Flankenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen deuten auf eine Mitbeteiligung der oberen Harnwege und der Nieren (Nierenbeckenentzündung, aufsteigender Harnwegsinfekt). Bei solchen Symptomen ist eine ärztliche Abklärung angezeigt.
Nicht medikamentöse BehandlungEs wird empfohlen, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um die Wasserausscheidung zu erhöhen und so die Bakterien auszuwaschen.
Medikamentöse BehandlungZur medikamentösen Behandlung werden Antibiotika eingesetzt. Heute gilt eine kurze Therapiedauer als Standard. Die Patientinnen sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass die entzündliche Reaktion und die Symptome nach der Beseitigung der Bakterien noch etwas anhalten können. Ein Problem der Antibiotikabehandlung stellen die zunehmenden Resistenzen gegen die Wirkstoffe dar.
Zu den eingesetzten Antibiotika gehören:
Schmerzmittel für die Behandlung von der Schmerzen und der Entzündung:
- zum Beispiel Ibuprofen oder Paracetamol
- Die D-Mannose ist ein Zucker, der als Medizinprodukt vorwiegend zur Vorbeugung und auch zur Behandlung einer Blasenentzündung eingenommen wird. Die Effekte beruhen auf der Hemmung der Interaktion der bakteriellen Pili mit dem Urothel.
Zu den bekanntesten pflanzlichen Arzneimitteln für die Behandlung einer Blasenentzündung gehören (Auwahl):
- Bärentraubenblätter (z.B. Cystinol®)
- Birkenblätter (z.B. Nieren- und Blasentees, -dragées)
- Cranberryfrüchte (z.B. Früchte, als Saft)
- Preiselbeerfrüchte (z.B. als Saft)
- Goldrutenkraut (z.B. Nieren- und Blasentees, -dragées)
- Kapuzinerkressenkrautpulver und Meerrettichwurzelpulver (Angocin®)
Zur medikamentösen Vorbeugung häufig wiederkehrender Blasenentzündungen werden Antibiotika (kontinuierlich, niedrigdosiert oder postkoital), harnansäuernde Mittel wie Methionin, D-Mannose (siehe oben), Vitamin C und pflanzliche Arzneimittel wie zum Beispiel Cranberryzubereitungen eingesetzt.
Bei Frauen in der Postmenopause scheint eine Wiederherstellung der Vaginalflora mit Östrogenen wirksam zu sein. Zur nicht medikamentösen Vorbeugung gibt es eine Reihe von Verhaltensempfehlungen:
- Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
- Nach jedem Geschlechtsverkehr die Blase rasch entleeren.
- Auf Spermizid und Diaphragma verzichten.
- Keine aggressive Intimhygiene.
- Vermeiden von Unterkühlung.
- Von vorne nach hinten reinigen.
- Vaginaltampons vermeiden.
In der Schweiz ist eine Impfung auf Basis von E. coli zur Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte zugelassen, die einmal täglich oral in Form von Kapseln während 3 Monaten eingenommen wird (Uro-Vaxom®, Escherichia coli viva).
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
Abbildung: Lucille Solomon http://www.lucille-solomon.com