Blasenentzündung Indikationen InfektionskrankheitenEine akute, unkomplizierte Blasenentzündung tritt hauptsächlich bei Frauen auf. Zu den Symptomen gehören eine schmerzhafte, häufige und erschwerte Harnentleerung und ein starker Harndrang. Verursacht wird die Infektionskrankheit in den meisten Fällen vom Bakterium Escherichia coli. Für die medikamentöse Behandlung gilt die empirische Kurzzeittherapie mit einem Antibiotikum als Mittel der ersten Wahl. Für die Selbstmedikation stehen phyto- und alternativmedizinische Arzneimittel zur Verfügung. Zur Vorbeugung gibt es eine Reihe von Verhaltensempfehlungen.
synonym: Zystitis
SymptomeAkute, unkomplizierte Blasenentzündungen zählen zu den häufigsten Infektionskrankheiten bei Frauen. Als unkompliziert oder einfach wird eine Blasenentzündung bezeichnet, wenn der Harntrakt funktionell und strukturell normal ist und keine Krankheiten vorliegen, welche die Infektion begünstigen, zum Beispiel ein Diabetes mellitus oder eine Immunsuppression. Zu den Symptomen gehören:
- Schmerzhafte, häufige und erschwerte Harnentleerung
- Starker Harndrang
- Schmerzen oberhalb des Schambeins (Unterbauchschmerzen)
- Kein vaginaler Juckreiz oder Ausfluss
Der Urin ist häufig trüb, verfärbt, übel riechend und kann Blut enthalten. Im Harn sind Bakterien und weisse Blutkörperchen nachweisbar. Der Allgemeinzustand der Patientinnen ist in der Regel gut, es tritt kein Fieber auf und die oberen Harnwege werden nur selten betroffen. Die Infektion heilt innert Tagen bis Wochen auch spontan ohne Behandlung ab. Etwa 20 % der Frauen, die einmal eine Blasenentzündung hatten, erkranken innert einiger Monate wieder an einer.
Harnblase, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
UrsachenDie Ursache der akuten Blasenentzündung ist eine Besiedelung der sonst sterilen Blase mit Bakterien. Die weitaus am häufigsten nachgewiesenen Erreger sind die gramnegativen uropathogenen Escherichia coli. Weitere mögliche Pathogene sind Staphylococcus saprophyticus, sowie gelegentlich Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Pseudomonas aeruginosa, Streptokokken und weitere. Die Infektion erfolgt in der Regel aufsteigend über die Harnröhre. Die Bakterien müssen sich dazu am Urothel mit Pili festhalten (Abbildung 1, zum Vergrössern anklicken).
Abbildung © Lucille Solomon, 2012 https://www.lucille-solomon.com
RisikofaktorenZu den Risikofaktoren gehören der Geschlechtsverkehr, eine verzögerte Blasenentleerung nach dem Geschlechtsverkehr, die Verwendung von Diaphragmen und Spermiziden, anatomische Besonderheiten, Grundkrankheiten, eine Immunsuppression, Diabetes mellitus, Harnsteine, Katheter, eine aggressive Intimhygiene, eine Schwangerschaft, ein Östrogenmangel, eine seltene Blasenentleerung, Blasenentzündungen in der Patientengeschichte, das weibliche Geschlecht und eine genetische Veranlagung.
DiagnoseDie Diagnose erfolgt in ärztlicher Behandlung anhand der Symptome, der Patientengeschichte, mit einem Streifentest oder mit einer Urinkultur.
Besteht der klinische Verdacht auf eine akute Blasenentzündung bei einer erwachsenen, nicht schwangeren und sonst gesunden Frau, wird eine empirische Kurzzeittherapie mit Antibiotika ohne Laboruntersuchung durchgeführt.
Bei mangelndem Ansprechen auf die empirische Behandlung kann der Erreger anhand einer Urinkultur bestimmt und seine Empfindlichkeit auf Antibiotika getestet werden.
Zur Selbstdiagnose stehen auch in der Apotheke Streifentests zu Verfügung, die Nitrit und Leukozyten im Urin nachweisen. Nitrit wird von Bakterien aus Nitrat gebildet und Leukozyten, die weissen Blutkörperchen, sind Indikatoren für eine akute Infektion. Falsch negative und falsch positive Resultate sind jedoch möglich (vgl. Gebrauchsanweisung der Tests) und es muss beachtet werden, dass andere, auch schwerwiegende Erkrankungen, ähnliche Symptome verursachen. Immer zum Arzt sollten:
- Kinder, Jugendliche, Männer, ältere Menschen
- Patientinnen mit einem schlechten Allgemeinzustand, zum Beispiel mit Fieber und Rückenschmerzen
- Patientinnen, bei denen die Therapie versagt hat
- Patientinnen mit Grunderkrankungen oder häufig wiederkehrenden Infekten
- Immunsupprimierte Patientinnen
- Patientinnen mit Nierenerkrankungen (Nieren- und Blasensteinen) und früheren Pyelonephritiden (diese benötigen eine längere Antibiotikatherapie)
- Patientinnen mit Blasenkathetern
Zu den möglichen Differentialdiagnosen gehören unter anderem eine Entzündung der Vagina (zusätzlich mit vaginalen Reizungen, Ausfluss), der Harnröhre, eine komplizierte Blasenentzündung, eine hyperaktive Blase und bei Männern eine gutartige Prostatavergrösserung und eine Entzündung der Prostata. Fieber, Rückenschmerzen, Flankenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen deuten auf eine Mitbeteiligung der oberen Harnwege und der Nieren (Nierenbeckenentzündung, aufsteigender Harnwegsinfekt). Bei solchen Symptomen ist eine ärztliche Abklärung angezeigt.
Nicht medikamentöse BehandlungEs wird empfohlen, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen (mindestens 2 Liter täglich), um die Wasserausscheidung zu erhöhen und so die Bakterien auszuwaschen. Diese Empfehlung ist einleuchtend, scheint wissenschaftlich aber nicht ausreichend untermauert zu sein.
Medikamentöse BehandlungZur medikamentösen Behandlung werden Antibiotika eingesetzt. Während früher über 5-14 Tage behandelt wurde, gilt heute eine kurze Therapiedauer als Standard. Cotrimoxazol und Chinolone werden während 3 Tagen und Fosfomycin wird als Einzeldosis verabreicht. Dies gilt jedoch nicht für Nitrofurantoin und die Beta-Lactam-Antibiotika. Patientinnen, die sich einer Kurzzeittherapie unterziehen, müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass die entzündliche Reaktion und die Symptome nach der Beseitigung der Bakterien noch etwas anhalten können. Ein Problem der Antibiotikabehandlung stellen die zunehmenden Resistenzen gegen die Wirkstoffe dar. Neben Antibiotika können Schmerzmittel wie zum Beispiel Ibuprofen oder Paracetamol zur Schmerzkontrolle eingesetzt werden. Für die Behandlung spezieller Patientengruppen (z.B. Schwangere, Kinder, Männer, ältere Menschen) verweisen wir auf die Literatur.
- Cotrimoxazol (Bactrim® forte, Generika) bezeichnet die Fixkombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol. Beide Wirkstoffe hemmen die für das bakterielle Wachstum essentielle Folsäuresynthese. Die Tabletten werden entweder als Einmaldosis nach dem Abendessen oder vor dem Schlafen oder morgens und abends während 3 Tagen nach dem Essen eingenommen. Es muss beachtet werden, dass ein hoher Anteil von E. coli gegen Cotrimoxazol resistent ist.
- Fosfomycin (Monuril®, Generika) ist der einzige Vertreter aus der Gruppe der Phosphonsäurederivate. Es hemmt intrazellulär den ersten Schritt der bakteriellen Zellwandsynthese. Im Handel ist es als Granulat erhältlich, das nüchtern, 2-3 Stunden vor oder nach dem Essen als 3 Gramm-Einmaldosis in Wasser eingenommen wird.
- Nitrofurantoin (Furadantin® retard, Uvamin® retard) gehört zu den Nitrofuranen und wird seit den 1950er-Jahren verwendet. Es wird während oder unmittelbar nach den Mahlzeiten mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen.
- Chinolone wie zum Beispiel Norfloxacin (Generika), Ciprofloxacin (Ciproxin®, Generika) oder Ofloxacin (Tarivid®, ausser Handel) hemmen die bakterielle DNA-Synthese durch Hemmung der Topoisomerasen. Sie werden in der Regel 2-mal täglich nüchtern 1 Stunde vor oder 2 Stunden nach dem Essen während 3 Tagen eingenommen. Sie sind nicht das Mittel der 1. Wahl, um ihre Wirksamkeit bei komplizierten Infekten zu erhalten (Reservemedikamente).
- Cephalosporine oder Penicilline wie Amoxicillin hemmen die bakterielle Zellwandsynthese durch Bindung an Penicillinbindende Proteine. Amoxicillin gilt als wenig wirksam und wird nicht als Mittel der ersten Wahl empfohlen.
- Pivmecillinam ist ein Penicillin, das in den USA im Jahr 2024 neu zugelassen wurde. Es ist vor allem gegen gramnegative Erreger wirksam.
- Die D-Mannose ist ein Zucker, der als Medizinprodukt vorwiegend zur Vorbeugung und auch zur Behandlung einer Blasenentzündung eingenommen wird. Die Effekte beruhen auf der Hemmung der Interaktion der bakteriellen Pili mit dem Urothel.
Weitere Möglichkeiten:
- FimH-Antagonisten sind in Entwicklung
- Ebenfalls verwendet werden alkalisierende Substanzen (z.B. Natriumhydrogencarbonat), das zur kurzfristigen Symptombekämpfung eingesetzt wird, da saurer Urin für die Beschwerden bei der Harnentleerung verantwortlich ist.
Zu den bekanntesten pflanzlichen Arzneimitteln zur Behandlung einer Blasenentzündung gehören (Auwahl):
- Bärentraubenblätter (z.B. Cystinol®)
- Birkenblätter (z.B. Nieren- und Blasentees, -dragées)
- Cranberryfrüchte (z.B. Früchte, als Saft)
- Preiselbeerfrüchte (z.B. als Saft)
- Goldrutenkraut (z.B. Nieren- und Blasentees, -dragées)
Die Drogen werden einzeln als Tee oder in Form von Teemischungen, sogenannter Nieren- und Blasentees, eingesetzt.
Extrakte aus solchen Arzneidrogen werden auch in Form von Nieren und Blasendragees und anderen Zubereitungen (z.B. Tinkturen) verkauft. Beliebt zur Behandlung und Vorbeugung sind auch Preiselbeer- und Cranberrysaft.
Bekannt ist auch die Kombination von Kapuzinerkressenkrautpulver und Meerrettichwurzelpulver (Angocin®).
VorbeugungZur medikamentösen Vorbeugung häufig wiederkehrender Blasenentzündungen werden Antibiotika (kontinuierlich, niedrigdosiert oder postkoital), harnansäuernde Mittel wie Methionin, D-Mannose (siehe oben), Vitamin C und pflanzliche Arzneimittel wie zum Beispiel Cranberryzubereitungen eingesetzt.
Bei Frauen in der Postmenopause scheint eine Wiederherstellung der Vaginalflora mit Östrogenen sehr gut wirksam zu sein. Zur nicht-medikamentösen Vorbeugung gibt es eine Reihe von Verhaltensempfehlungen, die wissenschaftlich nur bedingt belegt sind:
- Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
- Nach jedem Geschlechtsverkehr die Blase rasch entleeren.
- Auf Spermizid und Diaphragma verzichten.
- Keine aggressive Intimhygiene.
- Vermeiden von Unterkühlung.
- Von vorne nach hinten reinigen.
- Vaginaltampons vermeiden.
In der Schweiz ist eine Impfung auf Basis von E. coli zur Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte zugelassen, die einmal täglich oral in Form von Kapseln während 3 Monaten eingenommen wird (Uro-Vaxom®, Escherichia coli viva).
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor (Dr. Alexander Vögtli) hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt. Peer-Review: Pharmama, Apothekerin http://www.pharmama.ch
Abbildung: Lucille Solomon http://www.lucille-solomon.com
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