Barbiturate Arzneimittelgruppen SedativaBarbiturate sind Wirkstoffe mit beruhigenden, schlaffördernden und krampflösenden Eigenschaften, die vor allem in der Vergangenheit für die Behandlung von Unruhe- und Erregungszuständen, bei Schlafstörungen und Epilepsien eingesetzt wurden. Einige Vertreter sind noch im Handel. Ihre Effekte beruhen auf der Interaktion mit GABA-A-Rezeptoren. Zu ihren wesentlichen Nachteilen gehört das Abhängigkeitspotential und die Lebensgefahr bei einer Überdosis. Barbiturate werden auch von Sterbehilfeorganisationen verwendet. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören unter anderem zentrale, gastrointestinale und kardiovaskuläre Störungen. Das Absetzen soll ausschleichend erfolgen, weil sonst Entzungssymptome auftreten können.
synonym: Barbitursäurederivate
ProdukteBarbiturate sind in der Schweiz in Form von Tabletten und als Injektionspräparate im Handel. Es sind nur noch wenige Medikamente verfügbar, weil die Barbiturate nach der Einführung der Benzodiazepine und weiterer Psychopharmaka an Bedeutung verloren haben. Am häufigsten wurden die Barbiturate in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendet.
Barbiturate wurden schon im 19. Jahrhundert synthetisiert. Als erster Wirkstoff wurde im Jahr 1904 Barbital von Bayer lanciert (Veronal®), das von Emil Fischer und Joseph von Mering entwickelt wurde. Phenobarbital (Luminal®) kam im Jahr 1912 in den Handel, Butobarbital (Neonal®) im Jahr 1922 und Amobarbital 1923 (Amytal®). Verschiedene weitere Wirkstoffe folgten.
Struktur und EigenschaftenBarbiturate sind Derivate der Barbitursäure, die formal von Harnstoff und der Malonsäure abgeleitet ist. Im Allgemeinen sind ihre Wirkstoffsalze (z.B. Natriumsalz) besser wasserlöslich.
WirkungenBarbiturate (ATC N05CA ) haben dämpfende, schlaffördernde, angstlösende, narkotische und krampflösende Eigenschaften. Die Effekte beruhen unter anderem auf der allosterischen Bindung an GABAA-Rezeptoren. Abhängig von der Wirkdauer wird zwischen den kurz- und langwirksamen Barbituraten unterschieden.
Wirkmechanismus der Barbiturate, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenZu den medizinischen Indikationen gehören:
- Epilepsie, Krampfzustände
- Anästhesie, Narkose
- Entzugsbehandlung, z.B. Phenobarbital
- Kurzfristige Behandlung von Schlafstörungen
- Unruhe- und Erregungszustände
- Angststörungen
- Fieberkrämpfe
Weitere Anwendungsgebiete:
- Ärztlich assistierte Sterbehilfe (Suizidbeihilfe)
- Zum Einschläfern von Tieren
Gemäss der Fachinformation. Die Dosis wird individuell eingestellt. Das Absetzen soll ausschleichend erfolgen.
MissbrauchBarbiturate können als dämpfende Rauschmittel, für Suizide und für Morde missbraucht werden. Sie werden in einigen Ländern auch für Hinrichtungen eingesetzt.
Eine Überdosis führt unter anderem zu Schläfrigkeit, einem Koma, einer lebensgefährliche Atemdepression, einer Hypotonie und einem Schock. Sie ist lebensgefährlich und kann zum Tod führen. Bereits Dosen zwischen 2 bis 10 g können tödlich sein. In der Vergangenheit wurde über unzählige Todesfälle berichtet. Auch der Tod von Marilyn Monroe steht im Zusammenhang mit einer Barbituratüberdosis.
Wirkstoffe- Pentobarbital (Sterbehilfe, reines Natriumsalz)
- Phenobarbital (Aphenylbarbit®)
- Primidon (Mysoline®)
- Thiopental (Generika, Pentothal® ist ausser Handel) ist ein Thiobarbiturat
In der Schweiz nicht oder nicht mehr im Handel (Auswahl):
- Amobarbital (Amytal®)
- Barbexaclon (Maliasin®)
- Barbital (Veronal®)
- Butalbital (z.B. Cafergot PB®)
- Secobarbital (Seconal®, USA)
Zu den Gegenanzeigen gehören (Auswahl):
- Überempfindlichkeit
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Akute Vergiftung mit zentral wirkenden Arzneimitteln oder Alkohol
- Arzneimittelabhängigkeit
- Atemdepression, Atemstörungen
- Gleichzeitiger Konsum von Alkohol
- Hepatische Porphyrie
- Schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen
- Erkrankungen des Herzmuskels
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenBarbiturate sind potente Induktoren verschiedener CYP450-Isoenzyme. Sie können so die Effekte anderer Medikamente reduzieren. Die Wirkungen zentral dämpfender Arzneimittel und Alkohol können verstärkt werden.
Unerwünschte WirkungenZu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören:
- Zentrale Störungen: Benommenheit, Müdigkeit, Schläfrigkeit, verlangsamte Reaktionszeit, Schwindel,Kopfschmerzen, Alpträume, Halluzinationen
- Paradoxe Erregung, Unruhe, Aggressivität und Verwirrung
- Bradykardie, Hypotonie, Schock
- Blutbildstörungen
- Atemdepression
- Verdauungsstörungen wie Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung
- Überempfindlichkeitsreaktionen, Photosensibilisierung, Hauterkrankungen
- Allergie
- Leberfunktionsstörungen
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Knochenerkrankungen aufgrund eines Beeinflussung des Vitamin-D-Metabolismus
- Schlafwandeln, Autofahren im Schlaf
Barbiturate können zu einer Toleranz und zu einer psychischen und physischen Abhängigkeit führen und bei einem abrupten Absetzen Entzugssymptome auslösen.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (CH, D, USA)
- Coupey S.M. Barbiturates. Pediatr Rev, 1997, 18(8), 260-4 Pubmed
- Ernst B.J., Clark G.F., Grundmann O. The Physicochemical and Pharmacokinetic Relationships of Barbiturates - From the Past to the Future. Curr Pharm Des, 2015, 21(25), 3681-91 Pubmed
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Harris R.A. Distinct actions of alcohols, barbiturates and benzodiazepines on GABA-activated chloride channels. Alcohol, 1990, 7(3), 273-5 Pubmed
- Ho I.K., Yu S. Effects of barbiturates on GABA system: comparison to alcohol and benzodiazepines. Keio J Med, 1991, 40(4), 183-6 Pubmed
- López-Muñoz F., Ucha-Udabe R., Alamo C. The history of barbiturates a century after their clinical introduction. Neuropsychiatric Disease and Treatment, 2005, 1(4), 329-343
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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