Scopolamin Arzneimittelgruppen ParasympatholytikaScopolamin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Parasympatholytika, der unter anderem für die Vorbeugung einer Reisekrankheit und bei Übelkeit eingesetzt wird. Er hat anticholinerge, antiemetische, sedierende, spasmolytische und mydriatische Eigenschaften. Die Effekte beruhen auf dem Antagonismus an muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren. Scopolamin wird peroral, transdermal, parenteral und okulär verabreicht. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören eine Hyperthermie, Sehstörungen, erweiterte Pupillen, Mundtrockenheit und zentrale Störungen wie Benommenheit, Müdigkeit und Verwirrung. Scopolamin wird unter anderem als Halluzinogen und für Verbrechen missbraucht. Eine Überdosis ist lebensgefährlich.
synonym: Scopolaminum, Scopolamini hydrobromidum PhEur, Hyoscini hydrobromidi PhEur, Hyoscin, Scopolaminhydrobromid
ProdukteScopolamin ist in der Schweiz derzeit ausschliesslich in Form von Augentropfen im Handel. Das transdermale Pflaster Scopoderm TTS® und weitere Medikamente sind nicht mehr verfügbar. In einigen Ländern sind weitere Arzneimittel mit Scopolamin erhältlich, z.B. die Kwells® Tabletten gegen Reisekrankheit und das transdermale Pflaster Transderm Scop®. Dieser Artikel bezieht sich auf die perorale Anwendung.
Im Handel ist hingegen das Derivat Scopolaminbutylbromid (Buscopan®), das aufgrund der unterschiedlichen Struktur vor allem im Darm und nicht zentral wirksam ist.
Der Name des Wirkstoffs geht auf die Pflanze Scopolia carniolica aus der Familie der Nachtschattengewäschse zurück. Scopolamin wird auch als Hyoscin bezeichnet.
Struktur und EigenschaftenScopolamin (C17H21NO4, Mr = 303.4 g/mol) liegt als weisses, kristallines Pulver oder als farblose Kristalle vor und ist in Wasser löslich. Noch besser löslich ist das Salz Scopolaminhydrobromid. Scopolamin ist ein natürliches Tropanalkaloid, das in Nachtschattengewäschsen wie der Tollkirsche, dem Stechapfel, in Engelstrompeten und im schwarzen Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) vorkommt.
WirkungenScopolamin (ATC A04AD01 ) hat parasympatholytische (anticholinerge), antiemetische, sedierende, spasmolytische und mydriatische Eigenschaften. Die Effekte beruhen auf dem Antagonismus an muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren. Die Halbwertszeit beträgt etwa 9.5 Stunden. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurden zudem rasch eintretende antidepressive Effekte nachgewiesen.
Wirkmechanismus der Parasympatholytika am Muskarin-Rezeptor, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Indikationen- Reisekrankheit
- Übelkeit
- Krämpfe der glatten Muskulatur im Gastrointestinaltrakt und in den Gallenwegen
- Okuläre Anwendungsgebiete
- Hypersalivation
Gemäss der Fachinformation. Die Anwendung ist vom Produkt abhängig. Scopolamin wird peroral, transdermal, parenteral und okulär verabreicht.
MissbrauchScopolamin kann als Halluzinogen missbraucht werden. Da die dafür benötigte Dosis aber in der Regel eine Vergiftung miteinschliesst, ist davon dringend abzuraten. Scopolamin wurde in der Vergangenheit auch für Verbrechen und Giftmorde missbraucht.
Kontraindikationen- Überempfindlichkeit
- Prostatavergrösserung
- Paralytischer Darmverschluss
- Pylorusstenose
- Engwinkelglaukom
- Myasthenia gravis
- Herzrhythmusstörungen
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenWechselwirkungen sind unter anderem mit Anticholinergika, MAO-Hemmern, zentral dämpfenden Arzneimitteln, Alkohol, H2-Antihistaminika und Prokinetika möglich.
Unerwünschte WirkungenZu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören:
- Hyperthermie
- Sehstörungen, Akkomodationsstörungen, Pupillenerweiterung
- Mundtrockenheit
- Benommenheit, Schwindel, Sedierung, Schläfrigkeit, zentrale Stimulation, Unruhe, Halluzinationen, Verwirrung
- Hautausschläge
Scopolamin kann einer Amnesie verursachen. Zu den Symptomen einer Überdosis gehören ein rascher Herzschlag, Herzrhythmusstörungen, Sehstörungen, Unruhe, Erregung, Photophobie, Harnretention, Halluzinationen, Delirium, Koma und Atemlähmung. Eine Überdosis ist akut lebensbedrohlich.
siehe auchScopolaminbutylbromid (Buscopan®), Atropin, Parasympatholytika
Literatur- Antor M.A. et al. The effect of transdermal scopolamine for the prevention of postoperative nausea and vomiting. Front Pharmacol, 2014, 5, 55 Pubmed
- Arzneimittel-Fachinformation (CH, USA)
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Furey M.L., Zarate C.A. Jr. Pulsed intravenous administration of scopolamine produces rapid antidepressant effects and modest side effects. J Clin Psychiatry, 2013, 74(8), 850-1 Pubmed
- Spinks A., Wasiak J. Scopolamine (hyoscine) for preventing and treating motion sickness. Cochrane Database Syst Rev, 2011, CD002851 Pubmed
- Wohleb E.S. et al. Molecular and Cellular Mechanisms of Rapid-Acting Antidepressants Ketamine and Scopolamine. Curr Neuropharmacol, 2017, 15(1), 11-20 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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