Nicotin Arzneimittelgruppen AlkaloideNicotin ist ein psychoaktiver und anregender Wirkstoff aus der Gruppe der Alkaloide, der im Rahmen einer Raucherentwöhnung verabreicht wird, um die Entzugssymptome zu lindern. Die Nicotinersatztherapie erhöht die Wahrscheinlichkeit, rauchfrei zu werden. Es stehen verschiedene Produkte wie beispielsweise Kaugummis, transdermale Pflaster und Mundsprays zur Verfügung. Gegen Ende der Behandlung wird die Nicotindosis immer weiter reduziert und schliesslich werden die Produkte abgesetzt. Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Kopfschmerzen, Schluckauf, Husten, Reizungen der Mund- und Rachenschleimhaut und Magen-Darm-Beschwerden.
synonym: Nikotin, Nicotinum PhEur, Nicotinersatztherapie
ProdukteNicotin ist in Form von Kaugummis, Lutschtabletten, Sublingualtabletten, als transdermales Pflaster, Mundspray und Inhaler im Handel (Nicorette®, Nicotinell®, Generika). Das erste Nicotinersatzpräparat wurde in der Schweiz im Jahr 1978 zugelassen.
Gesundheitliche Folgen des Zigarettenrauchens, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Struktur und EigenschaftenNicotin (C10H14N2, Mr = 162.2 g/mol) liegt als farblose bis bräunliche, viskose, hygroskopische, flüchtige Flüssigkeit vor, die in Wasser löslich ist. Es ist ein N-Methylpyrrolidin- und Pyridin-Derivat und wird als reines S-Enantiomer verwendet. Nicotin ist ein natürliches Alkaloid, das in der Tabakpflanze (Nicotiana tabacum, Nicotiana rustica) aus der Familie der Nachtschattengewächse vorkommt. Einige der Arzneimittel enthalten Nicotinresinat, einen Komplex von Nicotin mit einem schwachen Kationenaustauscher.
WirkungenNicotin (ATC N07BA01 ) hat psychoaktive, stimulierende, aktivierende, entspannende und angstlösende Eigenschaften. Es fördert die Wachheit und die Konzentration. Seine Effekte beruhen unter anderem auf der Bindung an nicotinische Acetylcholinrezeptoren und der verstärkten Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin im zentralen Nervensystem.
Nicotin wird im Rahmen einer Raucherentwöhnung verabreicht, um die Entzugssymptome zu reduzieren. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen ganz aufzuhören.
Die Pharmakokinetik der Nikotinersatzprodukte unterscheidet sich von Zigaretten. Das Nicotin gelangt aus den Produkten über die Mundschleimhaut oder die Haut deutlich langsamer zum Wirkort im Gehirn. Die Plasmakonzentrationen sind tiefer und die Effekte halten länger an. Beim Rauchen gelangt das Nicotin aus der Lunge rasch in hohen Konzentrationen in den Kreislauf und in das zentrale Nervensystem.
IndikationenZur Unterstützung der Raucherentwöhnung bei nicotinabhängigen Raucherinnen und Rauchern. Zur Reduzierung des Suchtverhaltens und des Zigarettenkonsums durch die Verminderung der Entzugssymptome.
DosierungGemäss der Fachinformation. Die Dosierung richtet sich nach der Nicotinabhängigkeit. Gegen Ende der Behandlung wird die Nicotindosis immer weiter reduziert und schliesslich werden die Ersatzprodukte ganz abgesetzt.
Für die verschiedenen Bedürfnisse und Rauchertypen stehen unterschiedliche Darreichungsformen zur Verfügung:
- Kaugummis: Klassische Arzneiform, einfache Anwendung nach Bedarf
- Transdermale Pflaster: Kontinuierliche Langzeitwirkung (24 Stunden), diskrete und einfache Anwendung
- Mundspray: Schneller Wirkungseintritt nach 1 Minute
- Inhaler: Handhabung wie eine Zigarette, beschäftigt die Hände
- Lutschtabletten, Sublingualtabletten: Diskrete und einfache Verabreichung
Nicotinersatzprodukte können im Prinzip als Genuss- und Rauschmittel missbraucht werden. Aufgrund der unterschiedlichen Pharmakokinetik ist das Abhängigkeitspotenzial jedoch geringer.
Kontraindikationen- Nichtraucher
- Kinder unter 12 Jahren
- Schwangerschaft und Stillzeit
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenDie Inhalation von Zigarettenrauch induziert das metabolische Isoenzym CYP1A2. Wenn das Rauchen aufgegeben wird, fällt diese Induktion weg und die Plasmakonzentration von CYP1A2-Substraten kann erhöht sein (z.B. Theophyllin, Clozapin, Ropinirol).
Unerwünschte WirkungenZu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Kopfschmerzen, Schluckauf, Husten, Reizungen der Mund- und Rachenschleimhaut und Magen-Darm-Beschwerden.
Die Mittel müssen ausserhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden. Nicotin ist ein starkes Gift, das bereits in geringen Dosen zum Tod führen kann. Die letale Dosis liegt für einen Erwachsenen bei etwa 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht.
Die Zufuhr von Nicotin mit den Ersatzpräparaten ist weit weniger gesundheitsschädigend als das Rauchen. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur allerdings Hinweise, dass Nicotin auch selbst als Karzinogen aktiv sein kann, zum Beispiel aufgrund der Bildung entsprechender Metaboliten (z.B. Suzuki et al., 2018; Stepanov et al., 2009; Campain, 2004). Die Ersatzpräparate sollen deshalb nur während der vorgeschriebenen Anwendungsdauer verwendet werden.
siehe auchRauchen, Vareniclin, Bupropion, Schnupftabak, Snus, Shisha, Kaugummis
Literatur- Amodei N., Lamb R.J. Over-the-counter nicotine replacement therapy: can its impact on smoking cessation be enhanced? Psychol Addict Behav, 2008, 22(4), 472-85 Pubmed
- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Campain J.A. Nicotine: potentially a multifunctional carcinogen? Toxicol Sci, 2004, 79(1), 1-3 Pubmed
- Carpenter M.J. et al.Clinical strategies to enhance the efficacy of nicotine replacement therapy for smoking cessation: a review of the literature. Drugs, 2013, 73(5), 407-26 Pubmed
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Mendelsohn C. Optimising nicotine replacement therapy in clinical practice. Aust Fam Physician, 2013, 42(5), 305-9 Pubmed
- Molyneux A. Nicotine replacement therapy. BMJ, 2004, 328(7437), 454-6 Pubmed
- Hänsel R., Sticher O., Steinegger E. Pharmakognosie - Phytopharmazie. Berlin, Heidelberg: Springer, 1999
- Stepanov I. et al. Presence of the carcinogen N'-nitrosonornicotine in the urine of some users of oral nicotine replacement therapy products. Cancer Res, 2009, 69(21), 8236-40 Pubmed
- Suzuki S. et al. Orally administered nicotine effects on rat urinary bladder proliferation and carcinogenesis. Toxicology, 2018, 398-399, 31-40 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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