Medikamentenübergebrauch IndikationenBei einem Medikamentenübergebrauch werden Arzneimittel entgegen den fachlichen Vorgaben zu lange, zu hoch dosiert oder zu häufig verwendet. Typische Beispiele hierfür sind abschwellende Nasensprays, Schmerztabletten, Kortisonsalben, Schlafmittel und Abführmittel. In der Regel liegt kein eigentlicher Missbrauch vor, weil die Patienten aufgrund einer Therapie ungewollt und unverschuldet in einen Teufelskreis geraten. Das Medikament wird immer wieder benötigt, um Entzugserscheinungen oder ein Wiederauftreten der Beschwerden zu vermeiden. Der Übergebrauch kann sich negativ auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken und kann selten sogar lebensbedrohlich sein. Oft ist ein Entzug erforderlich, um ihn zu beenden. Für die Vorbeugung ist eine gute Beratung bei der Abgabe wichtig.Definition
Bei einem Medikamentenübergebrauch werden selbst gekaufte oder ärztlich verordnete Arzneimittel zu lange, zu viel oder zu häufig verwendet. Die von einer Medizinalperson oder von der Fach- und Patienteninformation vorgeschriebene Therapiedauer wird überschritten, die maximale Einzel- oder Tagesdosis ist aufgrund einer Dosissteigerung zu hoch oder das Dosierungsintervall zu kurz.
Ein Medikamentenübergebrauch ist nicht dasselbe wie ein sogenannter Medikamentenmissbrauch oder -abusus, denn der Übergebrauch entsteht oft ungewollt bei der medizinisch indizierten Behandlung einer Krankheit. Beim Missbrauch wird ein Medikament hingegen absichtlich für andere Zwecke verwendet, etwa als Rauschmittel oder Dopingmittel.
BeispieleTypische Beispiele sind (Auswahl):
Abführmittel für die Behandlung einer chronischen Verstopfung:
Abschwellende Nasensprays für die Abschwellung der Nasenschleimhaut:
Antihistaminika bei Schlafstörungen:
Arzneimittel mit Alkohol oder Coffein:
Benzodiazepine für die Behandlung von Schlafstörungen und Angsterkrankungen:
Kurzwirksame Beta2-Sympathomimetika für die Bronchienerweiterung:
Opioide für die Behandlung von Husten und Schmerzen:
Schmerzmittel bei Kopfschmerzen und anderen Schmerzen:
Topische Glucocorticoide bei Ekzemen und anderen Hauterkrankungen:
Triptane für die Behandlung einer Migräne:
Z-Drugs für die Behandlung von Schlafstörungen:
UrsachenEin Medikamentenübergebrauch ist von den Patienten häufig nicht beabsichtigt und nicht selbst verschuldet. Vielmehr geraten sie aufgrund einer medikamentösen Therapie in einen Teufelskreis, in welchem sie das Arzneimittel weiter verwenden müssen, um Entzugserscheinungen oder das Wiederauftreten der Beschwerden zu verhindern.
So kann etwa die zu häufige Anwendung von Schmerzmitteln gegen Kopfschmerzen selbst zu einem chronischen Kopfschmerz führen, der wiederum die Einnahme der Mittel erforderlich macht. Werden die Medikamente jedoch abgesetzt, bessern sich die Beschwerden.
Die Patienten müssen das benötigte Arzneimittel immer wieder besorgen, was für sie unangenehm sein kann und Kosten verursacht.
Zu den tieferen Gründen gehören eine Gewöhnung während der Therapie, eine Toleranzentwicklung und die Entstehung einer Abhängigkeit und Sucht. Arzneimittel können auch unkritisch, unwissend und unüberlegt konsumiert werden. Auch deshalb ist eine gute Beratung bei der → Abgabe von Medikamenten und eine Kontrolle der Medikamentenbezüge entscheidend.
DiagnoseEs muss beachtet werden, dass nicht jeder häufige Bezug eines Arzneimittels einen Übergebrauch darstellt. So können beispielsweise Brausetabletten mit Paracetamol und Codein (Co-Dafalgan®) bis zu 8 Mal täglich eingenommen werden. Bei einer Packungsgrösse von 16 Brausetabletten reicht eine Packung bei der Maximaldosis nur für zwei Tage. Pro Monat können also bis zu maximal 15 Packungen benötigt werden.
Die Angaben zur Dosis und Therapiedauer in der Fachinformation können aus rechtlichen oder regulatorischen Gründen tief und vorsichtig sein. Unter Umständen ist aus wissenschaftlicher oder medizinischer Sicht eine höhere Dosis möglich oder erforderlich.
KomplikationenDie Folgen eines Medikamentenübergebrauchs sind vom Arzneimittel abhängig. Sie sind im schlimmsten Fall lebensbedrohlich. So können beispielsweise Schmerzmittel wie die NSAR schwere Nebenwirkungen wie Blutungen im Magen-Darm-Trakt oder Nierenfunktionsstörungen verursachen. Paracetamol ist lebertoxisch. Topische Glucocorticoide dünnen die Haut aus, verursachen Streifen und Pigmentierungsstörungen. Benzodiazepine können Stürze und andere Unfälle fördern.
Mögliche Massnahmen und VorbeugungFür die Behandlung muss der entstandene Teufelskreis durchbrochen werden. Dafür ist in der Regel ein Entzug notwendig.
Behandlung:
- Mit den Betroffenen das Gespräch suchen und Hilfe anbieten. Die Problematik diskutieren.
- Unter ärztlicher Kontrolle oder stationär einen Entzug durchführen. Aufgrund der Entzugssymptome ist nicht bei allen Medikamenten ein abrupter Therapieabbruch möglich.
- Die Dosis reduzieren.
- Vereinbaren, dass innert eines Monats nur eine definierte Menge bezogen wird.
- Einnahme unter Aufsicht.
- Besser verträgliche oder wirksamere Alternativen suchen, Therapiewechsel.
- Substitutionstherapie.
- Psychologische oder psychiatrische Betreuung, Unterstützung / Coaching durch eine Fachperson.
Vorbeugung:
- Beratung bei der Abgabe von Medikamenten.
- Vorsichtsmassnahmen in der Fach- und Patienteninformation beachten.
- Kritische Arzneimittel zurückhaltend verwenden.
- Vorbeugende Therapie, zum Beispiel bei einer Migräne.
- Intervallbehandlung, Therapiepausen.
- Kleine Packungsgrössen abgeben.
- Missbrauch
- Abhängigkeit
- Abgabe von Medikamenten
- Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch
- Rhinitis medicamentosa
- Abgabekategorien
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.