Zahnungsbeschwerden IndikationenDas Zahnen kann bei Säuglingen und Kleinkindern Verhaltensänderungen und leichte Beschwerden wie Reizbarkeit, Schlafstörungen, lokale Schmerzen und Entzündungen hervorrufen, krank macht es aber nicht. Das Beissen auf harte Gegenstände wie einen Beissring oder Lebensmittel lindert die Symptome und gilt als Mittel der ersten Wahl. In der Schulmedizin werden zur medikamentösen Behandlung auch Mundgele und Schmerzmittel, in der Alternativmedizin unter anderem Bernsteinketten, Homöopathika und Veilchenwurzel eingesetzt.
synonym: Zahnen, Zahnen der Kinder, Dentition, Zahndurchbruch
HintergrundDie ersten Milchzähne erscheinen meist im Alter von 6 bis 12 Monaten. Selten brechen sie schon vor dem 3. oder erst nach dem 12. Monat durch. Nach spätestens 2 bis 3 Jahren sind alle Zähne durchgebrochen.
SymptomeZahlreiche Zeichen und Beschwerden werden traditionell dem Zahnen zugeschrieben. Ein kausaler Zusammenhang konnte in wissenschaftlichen Studien aber nur bedingt oder gar nicht nachgewiesen werden. Es macht nicht krank, kann aber für die Kinder etwas unangenehm sein und milde Beschwerden und Verhaltensänderungen auslösen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Schmerzen
- Vermehrter Speichelfluss, Saugen, Beissen
- Reiben am Zahnfleisch
- Entzündung der Mundschleimhaut über den entstehenden Zähnen
- Reizbarkeit
- Erhöhte Körpertemperatur
- Schlafstörungen, Weinen
- Verdauungsbeschwerden, Appetitverlust
- Ausschlag im Gesicht, Flush, Ausschlag am Gesäss
Bei längerer Dauer oder bei Beschwerden wie Fieber, Durchfall, Erbrechen und Hautausschlägen sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen, da wahrscheinlich nicht das Zahnen dafür verantwortlich ist, sondern zum Beispiel eine Infektionskrankheit.
Nicht medikamentöse BehandlungDas Kauen auf einem Beissring lindert die Beschwerden. Besonders wirksam ist er, wenn er vorher im Kühlschrank gekühlt wurden. Überhaupt ist alles hilfreich, auf dem herumgekaut und -gebissen werden kann. So können auch (gekühlte) und nicht kariogene Lebensmittel wie Früchte und Gemüse (z.B. Karotten, Sellerie) oder Arzneidrogen (Veilchenwurzel, Eibisch) verwendet werden. Auch der Schnuller lindert die Beschwerden. Die leichte Massage des Zahnfleischs mit einem sauberen Finger hat einen ähnlichen Effekt wie das Beissen. Es können auch Einweg-Fingerlinge verwendet werden.
Medikamentöse BehandlungMedikamente sind Mittel der 2. Wahl bei stärkeren Beschwerden.
Schmerzlindernde Mundgele:
- Salicylate wie Salicylamid und Cholinsalicylat und Lokalanästhetika wie Lidocain betäuben den Schmerz während 1-3 Stunden. Salicylate sind zusätzlich entzündungshemmend, sollten aber vorsichtshalber nicht angewendet werden, wenn eine gleichzeitig auftretende Virusinfektion vermutet wird (Reye-Syndrom). Die Eltern sollen die Hände waschen, bevor sie das Arzneimittel auftragen und es leicht einmassieren. Die maximale Dosierung darf nicht überschritten werden. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören lokale Überempfindlichkeitsreaktionen. Präparate mit Alkohol brennen beim Kontakt mit verletzer Schleimhaut.
- wie zum Beispiel Paracetamol oder Ibuprofen sind als Zäpfchen oder Sirup verabreicht ebenfalls schmerzlindernd. Schmerzmittel sollen zurückhaltend und nur kurzfristig an wenigen Tagen eingesetzt werden. Die Dosierung muss genau beachtet werden, da bei einer Überdosierung schwere unerwünschte Wirkungen auftreten können.
- Pflanzliche Mundgele enthalten entzündungshemmende, gerbende und schmerzlindernde Pflanzenextrakte wie zum Beispiel Kamille, Salbei, Myrrhe, Ratanhia oder Gewürznelken.
- Pflanzliche Tinkturen
- Veilchenwurzel ist eigentlich keine Wurzel, sondern ein Rhizom und stammt auch nicht vom Veilchen (Viola odorata), sondern von Schwertlilien (Iris germanica, Iris florentina, Iris pallida)! Sie ist in Apotheken und Drogerien erhältlich (Iridis rhizoma pro infantibus) und wird als ganze Droge eingesetzt (nicht geschnitten). Das Beissen auf der Wurzel wirkt schmerzlindernd. Aus hygienischen Gründen ist der Gebrauch nicht unbestritten. Es wurde deshalb vorgeschlagen, sie regelmässig während 5 Minuten in heissem Wasser auszukochen. Dabei können allerdings Inhaltsstoffe verloren gehen.
- Kräuterpfarrer Künzle empfiehlt zum selben Zweck eine gut gewaschene Eibischwurzel zum Beissen. Diese sollte aber nicht, wie er vorschlägt, mit Honig bestrichen werden (Karies). Honig sollte auch deshalb nicht angewandt werden, weil er einen Säuglingsbotulismus verursachen kann.
Bernsteinketten:
- Ketten aus poliertem Bernstein werden um den Hals oder am Handgelenk getragen. Bernstein ist ein fossiles Harz und sollte gemäss Angaben der Hersteller regelmässig zweimal täglich unter fliessendem Wasser gespült werden. Er sollte nicht in die Sonne gelegt oder mit Seife oder Putzmitteln behandelt werden, da er sonst beschädigt wird. Im Handel sind auch günstigere und weniger ästhetische Modelle aus künstlichen Materialien (Plastik) erhältlich. Kritisiert wird, dass die Kleinen die Steine defekter Ketten verschlucken oder in die Nase stecken können und durch die Halskette Verletzungsgefahr droht. Deshalb werden auch Ketten mit Magnetverschluss angeboten, die sich öffnen, wenn das Kind irgendwo einhängt (Motiv: Amberstyle® Bernsteinketten. Einige Experten raten aufgrund der Strangulationsgefahr von der Verwendung ab.
- Eingesetzt werden je nach Beschwerden unter anderem Calcii carbonas, Magnesium phosphoricum, Passiflora incarnata, Atropa belladonna, Apis, Aconitum, Pulsatilla. Beliebt sind auch Kamillenzäpfchen mit verschiedenen homöopathischen Bestandteilen und Chamomilla.
- Nr. 1 Calcium fluoratum
- Nr. 2 Calcium phosphoricum zur Förderung des Durchbruchs
- Nr. 3 Ferrum phosphoricum bei erhöhter Temperatur
- Nr. 7 Magnesium phosphoricum bei Entzündung
Weitere Methoden wie zum Beispiel Akupressur, Aromatherapie
siehe auchVeilchenwurzel, Cholinsalicylat, Salicylamid, Harze
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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Bildnachweis: Richard Meier (Kamille), PharmaWiki (Bernstein)
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