Flugreisen-Thrombose IndikationenEine Flugreisen-Thrombose ist eine tiefe Venenthrombose, die während oder innert einiger Wochen nach einer Flugreise auftritt und zu einer Lungenembolie führen kann. Das Risiko ist gering, aber bei mehrstündigen Flügen und gleichzeitig vorhandenen individuellen Risikofaktoren erhöht. Zur Vorbeugung wird unter anderem empfohlen, viel zu trinken und sich regelmässig zu bewegen. Kompressionsstrümpfe können das Risiko senken, werden aber nur bei langen Flugreisen und bei erhöhtem Risiko empfohlen. Arzneimittel wie Heparine oder Faktor-Xa-Hemmer sollten nur bei einem stark erhöhten Risiko auf ärztliche Empfehlung angewendet werden. Das häufig eingesetzte Aspirin® ist dafür nicht geeignet.
synonym: Economy-Class-Syndrom, Reisethrombose
SymptomeEine tiefe Venenthrombose entwickelt sich als Folge eines Blutgerinnsels in den tiefen Venen. Typische Symptome sind:
- Schmerzende und geschwollene Beine und Waden, Ödem
- Hautrötung und -verfärbung
- Lokal erhöhte Temperatur
- Häufig asymptomatisch
Sie stellt ein wesentliches Risiko für die Entwicklung einer Lungenembolie dar, wenn sich ein Teil des Thrombus löst und in die arteriellen Blutgefässe der Lunge gelangt. Eine Lungenembolie äussert sich unter anderem in Brustschmerzen, Atembeschwerden, Husten, Herzklopfen, einem raschen Herzschlag und einer schnellen Atmung. Die Beschwerden können auch erst bis zu 4 bis 8 Wochen nach der Reise entstehen.
Das „Economy Class Syndrom“ (Symington, Stack, 1977) kann auch in der Business Class auftreten. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Thrombose in der Business Class seltener ist. Thrombosen können zudem auch in anderen Verkehrsmitteln auftreten, in denen Menschen lange unbeweglich sitzen, z.B. in einem Bus oder im Zug.
UrsachenBedingt durch die Flugreise:
- Immobilisierung in einem engen Sitz mit wenig Beinfreiheit, Stauung des Bluts und Kompression der Vena poplitea.
- Flüssigkeitsverlust (Dehydratation) durch trockene Luft, ungenügende Zufuhr von Flüssigkeit und zusätzlicher Verlust durch Genussmittel wie Alkohol und Coffein.
- Hypoxie
Entscheidend sind die Flugdauer und individuelle Risikofaktoren!
Risikofaktoren- Lange Flugdauer > 4-8 Stunden, z.B. transatlantische Flüge oder mehrere Flüge innert kurzer Dauer
- Sitz am Fenster (nicht am Mittelgang)
- Längere Bettruhe
- Alter
- Schwangerschaft
- Wochenbett (Puerperium, 6-8 Wochen nach der Geburt)
- Minimal invasive Eingriffe wie Laparoskopie, Arthroskopie am Knie
- Immobilisierung, z.B. ein fixiertes Bein
- Übergewicht
- Krampfadern
- Herzinsuffizienz
- Krebserkrankungen
- Medikamente: Hormonersatztherapie, hormonelle Kontrazeptiva, Chemotherapie
- Vererbte Störungen der Blutgerinnung, z.B. Faktor-V-Leiden-Mutation, Antithrombin III-Mangel
- Frühere Thrombose / Embolie
- Kürzlich erfolgte Operation, schweres Trauma, Schenkelhalsfraktur, Rückenmarksverletzung, Gelenkersatz
Nicht alle Faktoren fallen gleich stark ins Gewicht. Das individuelle Risiko kann von Fachleuten bestimmt werden.
Nicht medikamentöse VorbeugungVerhaltensempfehlungen für alle Flugreisenden bei langer Flugdauer:
- Ausreichend nicht alkoholische Getränke zu sich nehmen.
- Genussmittel wie Kaffee und Alkohol meiden. Sie fördern den Flüssigkeitsverlust.
- Im Sitz regelmässig die Wadenmuskulatur bewegen. Zum Beispiel alle 1 bis 2 Stunden während 5 bis 10 Minuten die Fussspitzen heben und senken oder kreisförmig bewegen. Streching.
- Regelmässig aufstehen, sich bewegen und durch den Mittelgang gehen.
- Keine stark wirksamen Schlafmittel wie Benzodiazepine und ähnliche Substanzen einnehmen, da sie die Bewegung und die Aufnahme von Flüssigkeit verunmöglichen.
Bei mittel bis stark erhöhtem Risiko (individuelle Risikofaktoren + lange Flugdauer):
- Kompressionsstrümpfe (Wadenstrümpfe, bis unter das Knie, 15 bis 30 mmHg am Knöchel). Es wurde gezeigt, dass Kompressionsstrümpfe das Risiko für eine asymptomatische tiefe Venenthrombose signifikant reduzieren können. Sogenannte Reisekompressionsstrümpfe sind im Handel erhältlich.
Antithrombotika sollen nur bei einem individuell stark erhöhten Risiko und einer langer Flugdauer auf ärztliche Empfehlung angewendet werden. Ein Problem sind mögliche unerwünschte Wirkungen wie zum Beispiel Blutungen. Die Anwendung erfolgt in der Regel Off-Label.
- z.B. Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin, subkutan verabreicht
- z.B. Rivaroxaban
Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine) sind eine mögliche Alternative, sind aber schlecht einstellbar:
- Phenprocoumon
- Warfarin (in der Schweiz nicht im Handel)
Thrombozytenaggregationshemmer:
- Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®) ist weniger gut wirksam als Heparine und wird in der Literatur grösstenteils als ungeeignet und unwirksam betrachtet. Aspirin® wird allerdings in der Volksmedizin häufig angewendet und auch von einigen Fachpersonen empfohlen, vermutlich, weil es bekannt, gut verfügbar und einfach einzunehmen ist.
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.