Procain Arzneimittelgruppen LokalanästhetikaProcain ist ein lokal betäubender Wirkstoff aus der Gruppe der Lokalanästhetika zur Behandlung von Schmerzen. Der Wirkstoff ist in der Schweiz ausschliesslich in Form von Ohrentropfen und in einer Paste zur Anwendung im Mund auf dem Markt. Als unerwünschte Wirkung können selten lokale allergische Reaktionen auftreten. Procain ist kontraindiziert bei einer Überempfindlichkeit und bei einer Trommelfellperforation.
synonym: Procainum, Procaini hydrochloridum PhEur, Procainhydrochlorid
ProdukteProcain ist in in der Schweiz seit 1941 in Form von Ohrentropfen im Handel (Otalgan®). Zur Zeit ist es in der Schweiz nur als Kombinationspräparat erhältlich.
Struktur und EigenschaftenProcain (C13H20N2O2, Mr = 236.31 g/mol) wurde im Jahre 1905 als erstes synthetisches Esterlokalanästhetikum von Einhorn synthetisiert. Die lokalanästhetische Wirkung von Cocain, des ersten Lokalanästhetikums, hatte Carl Koller zuvor im Jahr 1884 für Operationen am Auge entdeckt. In Arzneimitteln liegt Procain auch als Procainhydrochlorid vor, ein weisses, kristallines Pulver, das in Wasser sehr leicht löslich ist.
WirkungProcain (ATC C05AD05 , ATC N01BA02 , ATC S01HA05 ) hat lokalanästhetische Eigenschaften. Es hemmt das Leitungsvermögen von sensiblen Nervenfasern reversibel und örtlich begrenzt, indem es die Natriumkanäle in Nervenzellen und anderen erregbaren Strukturen blockiert. Procain wird von Esterasen rasch hydrolysiert.
Wirkmechanismus der Lokalanästhetika, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenProcain ist indiziert zur lokalen Betäubung. Es wird eingesetzt bei Entzündungen und Schmerzen im Mundraum, wie beispielsweise bei Zahnfleischtaschen, Aphthen und Druckstellen unter Prothesen oder zur Therapie von Schmerzen im Ohr wie zum Beispiel bei Otitis externa, Mittelohrentzündung, Irritationen und nichtbakteriellen Entzündungen des Ohrs verschiedener Ursache, etwa nach sportlicher Betätigung (Schwimmen, Tauchen, Fliegen) oder in Zusammenhang mit einer Erkältung.
MissbrauchProcain wird von den Produzenten illegaler Rauschmittel als Streckmittel und für Fälschungen von Kokain verwendet.
Kontraindikationen- Überempfindlichkeit
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Bei Vorliegen eines perforierten Trommelfells sollten Ohrentropfen mit Procain nicht angewendet werden.
- Die Anwendung von Procain im Mund ist bei Kindern und Jugendlichen kontraindiziert.
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenBei der gleichzeitigen Anwendung von Vasokonstriktoren kann es unter Umständen zu verzögertem Abtransport von Procain und einer Verlängerung dessen Wirkdauer kommen. Die Wirkung von Procain kann von Physostigmin und von nicht depolarisierenden Muskelrelaxanzien verstärkt werden. Procain kann die Wirkung von Sulfonamiden vermindern.
Unerwünschte WirkungenBei der Anwendung von Procain können lokale allergische Reaktionen auftreten. Bei systemischer Verabreichung können Nebenwirkungen auftreten, die das Zentralnervensystem und das Herzkreislaufsystem betreffen. Procain ist in der Schweiz nicht zur systemischen Anwendung im Handel und eine relevante systemische Absorption ist bei der Anwendung im Mund und am Ohr bei einem intakten Trommelfell eher unwahrscheinlich.
siehe auchLokalanästhetika, Ohrentropfen, Chloroprocain
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH, D, USA)
- Biscoping J., Bachmann-Mennenga M.B. Lokalanästhetika: Vom Ester zum Isomer. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther, 2000, 35(5), 285-292
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Schwab B. Infusion therapy with procaine in acute tinnitus. HNO, 2001, 49(10), 852-3 Pubmed
- Mazurek B., Haupt H., Gross J. Pharmakotherapie des akuten Tinnitus: Unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Hypoxie und Ischämie bei der Tinnitusentstehung. HNO, 2006, 54(1), 9-15
- Mutschler E. Arzneimittelwirkungen, 8. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2001
- Wilhelm T., Agababov V., Lenarz T. Rheologic infusion therapy, neurotransmitter administration and lidocaine injection in tinnitus. A staged therapeutic concept. HNO, 2001, 49(2), 93-101 Pubmed
- Zink W., Graf B.M. Toxikologie der Lokalanästhetika. Der Anaesthesist, 2003, 52(12)
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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