Carfentanil Arzneimittelgruppen Tierarzneimittel OpioideCarfentanil ist ein extrem potenter Wirkstoff aus der Gruppe der Opioide, der in der Veterinärmedizin in kleinsten Mengen zur Betäubung und Immobilisierung grosser Tiere verwendet wird. Die Effekte beruhen auf der Bindung an μ-Opioid-Rezeptoren. Ein Einsatz in der Humanmedizin ist nicht vorgesehen. Der Missbrauch als Rauschmittel oder ein unbeabsichtigter Kontakt mit der Substanz ist akut lebensgefährlich.
synonym: Carfentanilum, Carfentanyl, Carfentanilcitrat
ProdukteIn der Schweiz sind keine Arzneimittel mit Carfentanil im Handel. Der Wirkstoff wird in der Veterinärmedizin verwendet (Wildnil®). Rechtlich gehört er zu den Betäubungsmitteln.
Struktur und EigenschaftenCarfentanil (C24H30N2O3, Mr = 394.5 g/mol) ist strukturell eng mit Fentanyl verwandt, es handelt sich um 4-Methoxycarbonylfentanyl. In Arzneimitteln ist Carfentanilcitrat enthalten. Der Wirkstoff wurde in den 1970er-Jahren bei Janssen entwickelt und wird im Deutschen auch als Carfentanyl bezeichnet.
WirkungenCarfentanil hat opioide, anästhesierende, psychotrope, analgetische und dämpfende Eigenschaften. Die Effekte beruhen auf der Bindung an μ-Opioid-Rezeptoren. Carfentanil ist extrem potent - die Potenz ist etwa 10'000-mal grösser als jene von Morphin und etwa 100-mal höher als diejenige von Fentanyl. Es wird deshalb ausschliesslich als Tierarzneimittel für grosse Tiere wie beispielsweise Braunbären, Eisbären, Bisons, Hirsche, Elche, Rhinozerosse und Elefanten verwendet. In der Humanmedizin findet Carfentanil keine Anwendung.
Wirkmechanismus der Opioide, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenIn der Veterinärmedizin zur Betäubung und Immobilisierung grosser Tiere.
DosierungGemäss der Fachinformation. Das Arzneimittel wird in der Regel intramuskulär mit einem Betäubungspfeil verabreicht. Es wird oft mit anderen Wirkstoffen wie beispielsweise Xylazin kombiniert.
MissbrauchCarfentanil wird als illegales Rauschmittel und zum Strecken von Drogen missbraucht. Dies ist aufgrund der hohen Potenz lebensgefährlich. Es wurde über zahlreiche Todesfälle berichtet. Die DEA warnte im Jahr 2016 mit Nachdruck vor der Anwendung.
Während der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater im Oktober 2002 wurde Carfentanil von Spezialeinheiten des Militärs für die Rettung der Geiseln verwendet. Das Mittel wurde zusammen mit Remifentanil vor der Erstürmung als Aerosol in das Theater eingeleitet. Dies mit der Absicht, die Geiselnehmer zu betäuben. An den Folgen dieses Einsatzes starben jedoch auch über 120 der 850 Geiseln (Wax et al., 2003, Riches et al., 2012).
Unerwünschte WirkungenBei einem Missbrauch oder einem unbeabsichtigten Kontakt kann es rasch zu einer lebensgefährlichen Vergiftung kommen. Zu den möglichen Symptomen gehören eine zentrale Depression, eine Atemdepression, ein Atemversagen und ein Koma. Das Mittel muss mit grosser Sorgfalt gehandhabt werden. Als Antidot stehen Opioid-Antagonisten wie Naloxon zur Verfügung.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (USA)
- Drug Enforcement Administration (DEA)
- George A.V., Lu J.J., Pisano M.V., Metz J., Erickson T.B. Carfentanil - an ultra potent opioid. Am J Emerg Med, 2010, 28(4), 530-2 Pubmed
- Haigh J.C., Lee L.J., Schweinsburg R.E. Immobilization of polar bears with carfentanil. J Wildl Dis, 1983, 19(2), 140-4 Pubmed
- Mortenson J., Bechert U. Carfentanil citrate used as an oral anesthetic agent for brown bears (Ursus arctos). J Zoo Wildl Med, 2001, 32(2), 217-21 Pubmed
- Riches J.R. et al. Analysis of clothing and urine from Moscow theatre siege casualties reveals carfentanil and remifentanil use. J Anal Toxicol, 2012, 36(9), 647-56 Pubmed
- Wax P.M., Becker C.E., Curry S.C. Unexpected "gas" casualties in Moscow: a medical toxicology perspective. Ann Emerg Med, 2003, 41(5), 700-5 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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