Alopecia areata Indikationen HaarausfallDie Alopecia areata ist eine Autoimmunerkrankung mit örtlich begrenzten, kahlen Stellen im Kopf- oder Körperhaar. Je nach Verlauf bildet sich der Haarausfall spontan zurück oder es entstehen weitere Läsionen. Zur medikamentösen Behandlung werden in erster Linie Glucocorticoide eingesetzt. In ausgedehnten Fällen kann auch die Auslösung eines allergischen Kontaktekzems auf der Kopfhaut das Haarwachstum wieder ermöglichen.
synonym: Kreisrunder Haarausfall
SymptomeEine Alopecia areata äussert sich in einzelnen oder mehreren, klar begrenzten, glatten, ovalen bis runden haarlose Stellen. Die Haut ist gesund und nicht entzündet. Der Haarausfall tritt meist am Kopfhaar auf, aber das gesamte übrige Körperhaar, wie zum Beispiel die Wimpern, die Augenbrauen, die Achselhaare, der Bart und das Schamhaar, können betroffen sein und es können Veränderungen der Nagelstruktur auftreten.
Am Rand der Kahlstellen treten sogenannte Ausrufezeichen-Haare auf, welche nach aussen dicker werden. Das klinische Bild ist variabel und unterscheidet sich von Person zu Person. Der Verlauf ist dynamisch, nicht vorhersehbar und z.T. chronisch rezidivierend. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu einer spontanen Besserung, einer Stabilisierung oder zu einer Verschlechterung kommen. Wenn Haar nachwächst, ist es häufig zuerst depigmentiert, also weiss.
UrsachenDie Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Die Alopecia areata wird als entzündliche, gewebespezifische Autoimmunerkrankung angesehen. Histologisch werden im Bereich der Haarwurzeln Infiltrate von Immunzellen wie T-Lymphozyten gefunden.
KomplikationenDie Erkrankung ist gutartig und in erster Linie ein kosmetisches Problem. Der Verlust des Haars und die Unvorhersagbarkeit der Erkrankung können für die Patientinnen und Patienten eine grosse psychische Belastung darstellen.
Neben den Haaren können auch die Nägel betroffen sein. Es bilden sich kleine Grübchen, Rillen oder Aufrauhungen auf der Nagelplatte. Die Lunulae können fleckig gerötet sein, selten kommt es zum vollständigen Nagelverlust.
Der Haarausfall kann sich auf mehrere Stellen ausbreiten. Gelegentlich geht das ganze Kopfhaar (Alopecia totalis) oder das ganze Kopf- und das Körperhaar verloren (Alopecia universalis). Als prognostisch ungünstig gelten: ein Beginn in jungen Jahren, eine Familiengeschichte mit Alopecia areata, eine grosse Ausdehnung, ein Befall der Nägel und Autoimmunerkrankungen. Tritt der Haarausfall flächig am Hinterkopf und an den Seiten auf, spricht man von einer Ophiasis.
Selten, bei einem akuten Schub: Schwellung der Lymphknoten hinter den Ohren.
Risikofaktoren- Alter: Bei der Mehrheit der Patienten beginnt die Erkrankung unter 20 Jahren
- Genetische Veranlagung
- Down-Syndrom
- Autoimmunerkrankungen, Atopie
Die Diagnose lässt sich meist bereits aufgrund des klinischen Bildes stellen. Eine detaillierte Anamnese und eine Biopsie können notwendig sein, um andere Ursachen auszuschliessen:
- Androgenetische Alopezie
- Diffuser Haarausfall
- Trichotillomanie
- Pilzinfektion (Tinea capitis)
- Alopecia syphilitica (Syphilis)
- Diskoider Lupus erythematodes, Lichen planopilaris, Pseudopelade Brocq
Keine Behandlung: Es handelt sich um ein kosmetisches Problem, das nicht unbedingt eine Therapie erfordert. Bei leichter Alopecia areata tritt häufig innert eines Jahres eine spontane Besserung eintreten, selbst bei grossflächigem Haarausfall ist dies möglich, allerdings seltener.
Bei kleiner Ausdehnung kann die Stelle auf dem Kopf unter dem verbleibenden Haar versteckt werden. Möglich ist auch eine Rasur, vor allem im Bartbereich, das Tragen einer Kopfbedeckung oder Perücke.
Psychotherapie: Eine begleitende Psychotherapie kann bei Alopecia areata im Zusammenhang mit einer psychosozialen Konfliktsituation oder bei Anpassungsstörungen mit depressiver, ängstlicher Gestimmtheit oder sozialer Verhaltensbeeinträchtigung angezeigt sein. Für die medikamentöse Therapie stehen Psychopharmaka wie die Antidepressiva zur Verfügung.
Selbsthilfegruppen: Betroffene können im Umgang mit ihrer Erkrankung vom Erfahrungsaustausch innerhalb von Selbsthilfegruppen profitieren.
Medikamentöse BehandlungBisher gibt es keine Medikamente, welche zu einer dauerhaften Heilung der Erkrankung führen. Eingesetzt werden hauptsächlich [Glucocorticoide, welche im Verlauf einiger Wochen bis Monate zu einer Besserung führen können. Rückfälle sind häufig. Die Erkrankung sollte ärztlich behandelt werden. In der Selbstmedikation könnten allenfalls alternativmedizinische Mittel ausprobiert werden.
- Topische Glucocorticoide: In klinischen Studien wurden unter anderem Betamethason, Dexamethason, Halcinonid oder Clobetasol untersucht.
- Glucocorticoide wie Triamcinolon werden auch lokal in die einzelnen betroffenen Stellen injiziert.
- Systemische Glucocorticoide sind wirksam. Ein Problem stellen aber die zahlreichen unerwünschten Wirkungen bei längerer Therapie dar, zumal der Effekt nicht dauerhaft ist. In Betracht kommen sie in erster Linie als Pulstherapie in einem akuten, ausgedehnten Krankheitsschub.
Topische Immuntherapie mit Kontaktallergenen:
- Bei der topischen Immuntherapie wird mit einem Kontaktallergen vorübergehend ein allergisches Kontaktekzem an der Kopfhaut ausgelöst. Verwendet werden dazu unter anderem Diphenylcyclopropenon (DCP) und Quadratsäuredibutylester (SADBE). Zu den Nebenwirkungen gehören starke Ekzemreaktionen und vor allem bei Dunkelhäutigen unerwünschte Vitiligo-artige Pigmentierungsstörungen. Der Wirkmechanismus ist nicht genau bekannt. Die Erfolgsrate beläuft sich auf ca. 30 Prozent.
- Der orale JAK-Inhibitor Baricitinib (Olumiant®) wurde in den USA im Jahr 2022 für die systemische Behandlung zugelassen.
- Im Jahr 2023 wurde in den USA zusätzlich der JAK/TEC-Hemmer Ritlecitinib (Litfulo®) für die Therapie freigegeben.
- Im Jahr 2024 wurde in den USA mit Deuruxolitinib (Leqselvi®) ein weiterer JAK-Hemmer freigegeben.
Bei den Januskinase-Inhibitoren muss allerdings beachtet werden, dass sie schwere bis lebensbedrohliche unerwünschte Wirkungen auslösen können.
Weitere, umstrittene Optionen:
- Minoxidil soll das Haarwachstum stimulieren und ist eine Alternative in der Selbstmedikation. Die Wirksamkeit wird in Fachkreisen in Abrede gestellt, ausser in Kombination mit einem Glukokortikoid. Es ist in der Schweiz nur zur Behandlung der androgenetischen Alopezie zugelassen.
- Dithranol (Anthralin) ist ein Medikament zur Behandlung der Psoriasis und stellt in der Behandlung der Alopecia areata aufgrund dessen Irritationspotentials eine Reiztherapie dar. Dithranol wird in Fachkreisen kontrovers beurteilt.
- Systemische Immunsuppressiva wie Ciclosporin oder Methotrexat scheinen zum Teil wirksam, aber die gesundheitlichen Risiken bei einer Anwendung sind zu gross, um ihren Einsatz längerfristig zu rechtfertigen.
- Photochemotherapie (PUVA) ist aufwendig und wird ebenfalls kontrovers diskutiert.
Alternativmedizin:
- Alternativmedizinische Verfahren, wie Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und Aromatherapie können ausprobiert werden. Die tatsächliche Wirksamkeit solcher Mittel ist aufgrund der hohen Spontanheilungsrate im Einzelfall nicht zuverlässig beurteilbar.
Weisse oder graue Haare können von einer Alopecia areata verschont bleiben. Bei raschem und grossflächigem Haarausfall ist so ein „Ergrauen über Nacht“ möglich. Dieses Phänomen wird auch als „Marie Antoinette Syndrom“ bzw. „Thomas More Syndrom“ bezeichnet. Beide historische Persönlichkeiten sollen vor ihrer Hinrichtung über Nacht ergraut sein.
siehe auchHaarausfall, Glucocorticoide, Minoxidil, Haare
Literatur- Alexis A.F., Dudda-Subramanya R., Sinha A.A. Alopecia areata: autoimmune basis of hair loss. Eur J Dermatol, 2004, 14(6), 364-70 Pubmed
- Delamere F.M., Sladden M.M., Dobbins H.M., Leonardi-Bee J. Interventions for alopecia areata. Cochrane Database Syst Rev, 2008, 16(2), CD004413 Pubmed
- Dombrowski N.C., Bergfeld W.F. Alopecia areata: what to expect from current treatments. Cleve Clin J Med, 2005, 72(9), 758-6 Pubmed
- Dudda-Subramanya R., Alexis A.F., Siu K., Sinha A.A. Alopecia areata: genetic complexity underlies clinical heterogeneity. Eur J Dermatol, 2007, 17(5), 367-74 Pubmed
- Garg S., Messenger A.G. Alopecia areata: evidence-based treatments. Semin Cutan Med Surg, 2009, 28(1), 15-8 Pubmed
- Hoffmann R., Happle R. Alopecia areata. Teil 1: Klinik, Ätiologie, Pathogenese. Hautarzt, 1999, 50, 222–231
- Hay IC, Jamieson M, Ormerod AD. Randomized trial of aromatherapy. Successful treatment for alopecia areata. Arch Dermatol. 1998, 134(11), 1349-52 Pubmed
- Hoffmann R., Happle R. Alopecia areata. Teil 2: Therapie. Hautarzt, 1999, 50, 310–315
- King L.E. Jr, McElwee K.J., Sundberg J.P. Alopecia areata. Curr Dir Autoimmun, 2008, 10, 280-312 Pubmed
- Latz J. Das Glück beginnt im Kopf. Mein Weg zum selbstbewussten Leben. Pendo Verlag Zürich, ISBN 3-8542-543-5
- Navarini A.A., Nobbe S., Trüeb R.M. Marie Antoinette syndrome. Arch Dermatol, 2009, 145(6), 656 Pubmed
- Trüeb R.M. Haare. Praxis der Dermatologie. Steinkopff Verlag Darmstadt, 2003: pp. 230 ff
- Trüeb R.M., Navarini A.A. Thomas More syndrome. Dermatology (im Druck)
- Norris D. Alopecia areata: current state of knowledge. J Am Acad Dermatol, 2004, 51(1 Suppl), S16-7 Pubmed
- Wasserman D., Guzman-Sanchez D.A., Scott K., McMichael A. Alopecia areata. Int J Dermatol, 2007, 46(2), 121-31 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.