Gentianaviolett Arzneimittelgruppen FarbstoffeGentianaviolett ist ein Farbstoff mit antibakteriellen und antimykotischen Eigenschaften, der äusserlich zur Behandlung und Vorbeugung bakterieller Infektionen und Hautpilzinfektionen angewandt wird. Gentianaviolettlösungen sind in der Schweiz nicht als Fertigarzneimittel im Handel und müssen in einer Apotheke oder Drogerie zubereitet werden. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Hautreizungen und selten Hautnekrosen, vor allem bei höheren Konzentrationen und in Hautfalten.
synonym: Gentiana-Violett, Kristallviolett, Methylrosaniliniumchlorid, Methylrosanilinii chloridum PhEur
Produkte und HerstellungGentianaviolettlösungen sind in der Schweiz nicht als Humanarzneimittel im Handel und müssen in einer Apotheke oder Drogerie für die Kunden zubereitet werden. Diese können die Lösung auch bei spezialisierten Lieferanten bestellen. Gemäss dem Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) soll die Reinsubstanz Methylrosaniliniumchlorid PhEur verwendet werden.
Eine Gentianaviolettlösung kann durch Lösung des Wirkstoffs in gereinigtem Wasser hergestellt werden. Entsprechende Herstellungsvorschriften finden sich im DMS und NRF. Als Hilfsstoff kann Ethanol zur Verbesserung der Löslichkeit zugesetzt sein. Gentianaviolettlösungen sind ohne ärztliche Verordnung erhältlich. Vorsicht: Gentianaviolettlösungen sind auch in technischer Qualität z.B. als Reagenzien auf dem Markt, die nicht als Arzneimittel verwendet werden sollen!
Struktur und EigenschaftenEs liegen unterschiedliche Definitionen vor. Im weiteren Sinn ist Gentianaviolett ein Gemisch strukturell ähnlicher Triphenylmethanfarbstoffe. Einer dieser Bestandteile ist Kristallviolett, das offiziell als Methylrosaniliniumchlorid (C25H30ClN3, Mr = 408.0 g/mol) bezeichnet wird und dem Fuchsin (= Rosaniliniumchlorid) ähnelt. Im engeren Sinn handelt es sich dabei ausschliesslich um Hexamethyl-p-rosaniliniumchlorid (Abbildung, 6 Methylgruppen). Die anderen Bestandteile unterscheiden sich in der N-Methylierung und werden auch als Methylviolette bezeichnet.
In der Pharmazie wird Gentianaviolett heute in der Regel mit Methylrosaniliniumchlorid gleichgesetzt, zum Beispiel vom europäischen oder amerikanischen Arzneibuch. Gemäss der PhEur darf Methylrosaniliniumchlorid bis zu 10% Pentamethyl-p-rosaniliniumchlorid enthalten (5 Methylgruppen). Gentianaviolett ist geruchlos und liegt als Pulver oder in Form dunkelgrüner, metallisch glänzender Kristalle vor, die in Wasser wenig und in Ethanol 96 % und in Dichlormethan leicht löslich sind. Wässrige Lösungen sind dunkelviolett gefärbt.
WirkungenGentianaviolett (ATC D01AE02 ) ist desinfizierend, antibakteriell gegen grampositive Bakterien (z.B. Staphylokokken), schwächer antibakteriell gegen gramnegative Bakterien, antimykotisch gegen Hefepilze (Candida) und Dermatophyten und antiparasitär. Es ist adstringierend, eiweissfällend, austrocknend und entzündungshemmend.
IndikationenIn der Schweiz gibt es keine behördlich genehmigten Indikationen, weil keine Humanarzneimittel zugelassen sind. Gentianaviolett wird in der Dermatologie in der Regel in Form von Lösungen als Magistralrezeptur zur Behandlung oder Vorbeugung bakterieller Hauterkrankungen und Hautpilzerkrankungen angewandt.
Zu den Anwendungsgebieten, die in der Literatur erwähnt werden, gehören zum Beispiel Impetigo, Candidamykosen, Fusspilz, Mundsoor, Scheidenpilz, Vaginosen, Furunkel, Staphylokokken- und MRSA-Infektionen, Dekubitus und atopische Dermatitis.
Zur Anfärbung wird es auch in der Augenheilkunde und in der Chirurgie angewandt.
Gentianaviolett wird ferner unter anderem als Tierarzneimittel, als Farbstoff, zur Hautmarkierung, zur Verhinderung der Übertragung der Chagas-Krankheit bei einer Bluttransfusion, in der Mikroskopie (Gram-Färbung, Histologie, Nukleinsäuren) und technisch eingesetzt.
DosierungGemäss ärztlicher Verordnung. In der Regel wird die Lösung 1- bis 3-mal täglich aufgetragen und eintrocknen gelassen. Übliche Konzentrationen zur Behandlung von Hautinfektionen bei Erwachsenen liegen im Bereich von 0.1 bis 0.5 %. Es muss beachtet werden, dass stärker konzentrierte Lösungen eher zu unerwünschten Wirkungen führen (siehe unten). Die Lösungen sollen vorsichtig aufgetragen werden, um farbige Flecken an anderen Hautstellen, der Umgebung und den Kleidern zu vermeiden.
Kontraindikationen- Überempfindlichkeit
- Schwangerschaft und Stillzeit
Gentianaviolettlösungen dürfen nicht unter Okklusion (z.B. unter einer Plastikfolie) verwendet und nicht eingenommen werden.
Eine vollständige Liste aller Vorsichtsmassnahmen liegt uns nicht vor.
Unerwünschte WirkungenGentianaviolett ist reizend und kann lokal angewandt zu Haut- und Schleimhautirritationen führen. Besonders in höheren Konzentrationen ≥ 1 % und in Hautfalten kann es selten zu Hautnekrosen und Schleimhautulzerationen kommen.
Über Überempfindlichkeitsreaktionen wurde berichtet.
Gentianaviolett ist ein Farbstoff, färbt die Haut, Unterwäsche und Kleider violett und ist kosmetisch wenig attraktiv.
Flecken können gemäss Waser/Steinbach auf Kleidern mit Soda und Bleichenn und auf der Haut mit Alkohol oder Salzsäure in geeigneter Verdünnung entfernt werden.
Die Anwendung von Gentianaviolett ist nicht unbestritten, weil es in Tierversuchen oral verabreicht karzinogene Eigenschaften zeigt.
Methylrosaniliniumchlorid ist von der Swissmedic und der FDA für den OTC-Markt freigegeben und soll gemäss einigen Autoren bei äusserlicher Anwendung sicher sein. Wir können zur Sicherheit jedoch keine abschliessenden Aussagen machen.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (USA)
- Balabanova M., Popova L., Tchipeva R. Dyes in dermatology. Clin Dermatol. 2003, 21(1), 2-6 Pubmed
- Bhandarkar S.S., MacKelfresh J., Fried L., Arbiser J.L. Targeted therapy of oral hairy leukoplakia with gentian violet. J Am Acad Dermatol, 2008, 58(4), 711-2 Pubmed
- Bunker C.B. Topical gentian violet in dermatology. J Am Acad Dermatol, 2009, 60(2), 347-8 Pubmed
- Burger A., Wachter H. (Hrsg.) Hunnius. Pharmazeutisches Wörterbuch. Berlin, New York: de Gruyter, 1998
- Churchman J.W. The selective bactericidal action of gentian violet. Journal of Experimental Medicine, 1912, 16(2), 221–247 Pubmed
- Docampo R., Moreno S.N. The metabolism and mode of action of gentian violet. Drug Metab Rev, 1990, 22(2-3), 161-78 Pubmed
- Gloor M., Wolnicki D. Anti-irritative effect of methylrosaniline chloride (Gentian violet). Dermatology, 2001, 203(4), 325-8 Pubmed
- Greenspan D. Treatment of oropharyngeal candidiasis in HIV-positive patients. J Am Acad Dermatol, 1994, 31(3 Pt 2), S51-5 Pubmed
- Okano M., Noguchi S., Tabata K., Matsumoto Y. Topical gentian violet for cutaneous infection and nasal carriage with MRSA. Int J Dermatol, 2000, 39(12), 942-4 Pubmed
- Phillips V. Is gentian violet safe? J Hum Lact, 1993, 9(1), 7-8 Pubmed
- Piatt J.P., Bergeson P.S. Gentian violet toxicity. Clin Pediatr (Phila), 1992, 31(12), 756-7 Pubmed
- Ramirez L.E., Lages-Silva E., Pianetti G.M., Rabelo R.M., Bordin J.O., Moraes-Souza H. Prevention of transfusion-associated Chagas' disease by sterilization of Trypanosoma cruzi-infected blood with gentian violet, ascorbic acid, and light. Transfusion, 1995, 35(3), 226-30 Pubmed
- Reynolds J. (Hrsg.) Martindale. The Extra Pharmacopoeia. London: The Pharmaceutical Press, 1989
- Saji M., Taguchi S., Uchiyama K., Osono E., Hayama N., Ohkuni H. Efficacy of gentian violet in the eradication of methicillin-resistant Staphylococcus aureus from skin lesions. J Hosp Infect, 1995, 31(3), 225-8 Pubmed
- Waser P.G., Steinbach-Lebbin C. Praktische Pharmakotherapie. Basel: Schwabe, 1987
- Ying S., Qing S., Chunyang L. The effect of gentian violet on virulent properties of Candida albicans. Mycopathologia, 2010, 169(4), 279-85 Pubmed
- DMS, USP, PhEur, Roempp online, Hänseler, Dynapharm
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zum Hersteller und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
Weitere InformationenPharmaWiki mit Google durchsuchen.