Off-Label-Use PharmaWikiDer sogenannte „Off-Label-Use“ ist in der Medizin und in der Pharmazie sehr häufig und gehört in Disziplinen wie beispielsweise der Pädiatrie, der Dermatologie oder der Onkologie zum Alltag. Als Off-Label-Gebrauch werden Abweichungen von den behördlich genehmigten Vorgaben in der Arzneimittel-Fachinformation von zugelassenen und verwendungsfertigen Medikamenten bezeichnet. Dies betrifft häufig, aber nicht ausschliesslich, die Anwendungsgebiete. Ein Off-Label-Use soll sich auf wissenschaftliche Evidenz abstützen und nur nach der Zustimmung und einer ausreichenden Information der Patienten durchgeführt werden. Probleme können unter anderem im Zusammenhang mit der Vergütung durch die Krankenkassen, aufgrund des Werbeverbots und mit der rechtlichen Verantwortung entstehen.
synonym: Off-Label, Off-Label-Gebrauch, Off-label drug use
DefinitionAls „Off-Label-Use“ werden in der Arzneimitteltherapie Abweichungen von den behördlich genehmigten Vorgaben in der Arzneimittel-Fachinformation von zugelassenen und verwendungsfertigen Medikamenten bezeichnet. Häufig betrifft dies die Anwendungsgebiete (Indikationen). Ebenfalls unter die Definition fallen aber auch andere Änderungen, zum Beispiel in Bezug auf die Dosis, die Therapiedauer, die Patientengruppen, das Geschlecht, die Arzneiform oder die Alterslimiten.
Die rechtliche Verantwortung für einen Off-Label-Use übernehmen die medizinischen Fachpersonen, also in der Regel die Ärztinnen und Ärzte und nicht die pharmazeutischen Unternehmen. Das Gesetz verbietet den Off-Label-Gebrauch nicht, sofern die Sorgfaltspflicht wahrgenommen wird und die anerkannten wissenschaftlichen Regeln befolgt werden.
Auch in der Apotheke ist der zulassungsabweichende Gebrauch von Medikamenten sehr häufig und er wird auch von den Patienten selbst praktiziert. Die Patienten sollen von den Fachpersonen vorgängig immer über diese Praxis informiert werden.
Bezüglich der Zulassungen existieren beachtliche Unterschiede zwischen den Ländern. Was in einem Land „on-Label“ ist, kann in einem anderen off-Label sein.
Werden Präparate oder Wirkstoffe verwendet, die nicht als Arzneimittel registriert sind, wird hingegen nicht von einem Off-Label-Use gesprochen. Dies gilt zum Beispiel für Magistralrezepturen, für experimentelle Therapien oder klinische Studien.
BeispieleDer Off-Label-Use kommt in der Praxis sehr häufig vor. Die folgende Liste zeigt nur eine kleine Auswahl typischer Beispiel:
- Quetiapin und Trazodon bei Schlafstörungen
- Dimetindenmaleat-Tropfen bei einer Reisekrankheit
- Topische Retinoide bei planen Warzen
- Arzneimitteltherapie für besondere Patientengruppen wie beispielsweise Frühgeborene, Säuglinge, Kinder, Schwangere, ältere Menschen oder Krebspatienten
- Nifedipin als Wehenhemmer
- Arzneimittel für die Migränevorbeugung
- SSRI für verschiedene psychiatrische Erkrankungen
- Antihistaminika für ein Allergie-Notfallset
- Hohe Dosierung von Antihistaminika bei Nesselfieber
- Zytostatika für Krebsleiden
Der Off-Label-Einsatz gehört in der Medizin und in der Pharmazie zum Alltag. Geläufig ist er zum Beispiel in der Pädiatrie, Gynäkologie, Psychiatrie, Onkologie, in der Intensivmedizin, in der Geriatrie und der Dermatologie.
Gründe für einen Off-Label-UseEs gibt viele Gründe dafür, weshalb ein Arzneimittel entgegen den offiziellen Vorgaben verabreicht wird. Zum Beispiel, wenn kein zugelassenes Medikament für eine Krankheit im Handel ist.
Die Fachinformationen können aus rechtlichen, regulatorischen oder kommerziellen Gründen zu restriktiv sein und sogar den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.
Klinische Studien, welche die Grundlage für die Formulierung der Indikationen darstellen, als auch die Registrierung, sind teuer und aufwändig. Oft lohnt sich die Finanzierung für die Unternehmen nicht, auch deshalb, weil Patente abgelaufen und Generika verfügbar sind.
Für seltene Krankheiten oder besondere Patientengruppen liegt oft keine Zulassung vor. Aus ethischen Gründen ist eine Untersuchung teilweise gar nicht möglich.
Bei unheilbaren oder akut lebensbedrohlichen Erkrankungen spielen die behördlichen Vorgaben eine untergeordnete Rolle.
Ein Off-Label-Use wird auch aus wirtschaftlichen Gründen erwogen, wenn beispielsweise ein nicht-zugelassenes Arzneimittel günstiger ist als ein registriertes. Diese Praxis wird in der Literatur allerdings kritisch diskutiert.
Probleme und LösungenDer Off-Label-Gebrauch kann problematisch sein, wenn keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit und zur Sicherheit vorliegen. Man spricht in einem solchen Fall auch von einer experimentellen Therapie. Grundsätzlich sollte sich eine Off-Label-Behandlung auf wissenschaftliche Evidenz abstützen. Ein unsorgfältiger Off-Label-Use kann zu unerwünschten Wirkungen führen.
Weil die rechtliche Verantwortung bei der Fachperson liegt, setzt sich diese bei der Verordnung oder Abgabe einem gewissen Risiko aus.
Die Vergütung der Medikamente kann von den Krankhenkassen abgelehnt werden. Vor der Abgabe kann ein Gesuch für eine Kostengutsprache eingereicht werden. Dies ist vor allem für hochpreisige Therapien relevant. Die Übernahme wird von der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) geregelt.
Die Patienten können verwirrt sein, wenn sie Medikamente erhalten, in deren Packungsbeilage sie keine Informationen für die zu behandelnde Krankheit finden. Ein weiterer Nachteil ist die fehlende Dokumentation (Patienteninformation). Die Patienten sollen entsprechend informiert werden und ihre Zustimmung soll vorher eingeholt werden („informed consent“). Das Vorgehen soll dokumentiert werden. Zudem wäre wünschenswert, dass auf ärztlichen Rezepten ein entsprechender Vermerk angebracht würde.
Pharmazeutische Unternehmen können sich rechtliche Probleme einhandeln, wenn sie mit einem Off-Label-Gebrauch ihrer Arzneimittel werben. Denn die Werbung ist in diesem Bereich verboten und bereits Informationen können rechtlich sehr heikel sein. In der Vergangenheit mussten Unternehmen aufgrund von Klagen und bei aussergerichtlichen Einigungen aufgrund von Zuwiderhandlungen enorme Summen bezahlen. Deshalb sind sie sehr vorsichtig und zurückhaltend geworden, was wiederum die Information der Fachpersonen und Patienten erschwert. Diese gesetzlich vorgeschriebene Übervorsicht kann zur Folge haben, dass über einen sinnvollen Off-Label-Use nicht mehr angemessen berichtet werden kann.
siehe auchLiteratur (Auswahl)- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Bundesamt für Gesundheit
- FDA
- Heilmittelgesetz
- Kantonsapothekervereinigung Empfehlungen zum Off label use von Arzneimitteln, Positionspapier 2016
- Swissmedic
- Verordnung über die Krankenversicherung (KVV)
- Wittich C.M., Burkle C.M., Lanier W.L. Ten common questions (and their answers) about off-label drug use. Mayo Clin Proc, 2012, 87(10), 982-90 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
PharmaWiki mit Google durchsuchen.