Therapietreue PharmaWikiAls Therapietreue wird bezeichnet, in welchem Ausmass das Verhalten einer Person mit den vereinbarten Empfehlungen einer Medizinalperson oder eines Therapeuten übereinstimmt. Früher wurde häufig der Begriff Compliance verwendet, heute wird hauptsächlich von „Adhärenz“ (Adherence) gesprochen. Eine mangelhafte Therapietreue ist eher die Regel als die Ausnahme - bei chronischen Erkrankungen soll die Adhärenz nur bei 50 bis 60% liegen. Eine Non-Adherence kann verheerende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen und ist auch wirtschaftlich von grosser Bedeutung.
synonym: Adhärenz, Therapieadhärenz, Compliance, Persistenz
DefinitionenAls Therapietreue wird bezeichnet, in welchem Ausmass das Verhalten einer Person mit den vereinbarten Empfehlungen einer Medizinalperson oder eines Therapeuten übereinstimmt. Also beispielsweise bezüglich der Einnahme von Medikamenten, dem Einhalten einer Diät oder dem Befolgen von Lebensstilveränderungen. Häufig werden die englischen Begriffe Adherence (Adhärenz) und Compliance verwendet. Heute steht der Begriff der Adhärenz im Vordergrund, weil dieser voraussetzt, dass der Patient der verordneten Therapie in einem partnerschaftlichen Verhältnis zugestimmt hat (Konkordanz). Das Gegenteil einer guten Therapietreue wird auch als Non-Adherence resp. Non-Compliance bezeichnet.
HäufigkeitLeider ist es längst nicht so, dass sich die Patienten die Empfehlungen ihrer Ärztinnen und Ärzte strikte zu Herzen nehmen. Die Therapietreue wird häufig überschätzt. So wird beispielsweise berichtet, dass in den USA nur jeder zweite Bluthochdruckpatient seine Medikamente nach Vorschrift einnimmt. Derselbe Wert soll auch für schizophrene Patienten gelten. Die Therapietreue bei chronischen Erkrankungen liegt nur etwa bei 50 bis 60%. In der Literatur finden sich naturgemäss sehr unterschiedliche Werte, die auch vom Anwendungsgebiet abhängen.
FolgenDie meisten medikamentösen Therapien erfordern eine regelmässige Verabreichung des Arzneimittels. Denn die darin enthaltenen pharmazeutischen Wirkstoffe haben in der Regel nur eine kurze Wirkdauer zwischen einigen Stunden bis zu wenigen Tagen. Medikamente werden häufig ein- bis dreimal täglich verabreicht. Ist der Wirkstoff einmal aus dem Körper ausgeschieden, übt er keinen Effekt mehr aus.
Wird von diesem Schema mehr oder weniger stark abgewichen, so sinkt auch die Wirksamkeit und der erwünschte therapeutische Effekt wird vermindert oder bleibt ganz aus. Dies kann verheerende Folgen haben: Ein Blutgerinnsel entsteht und führt zu einem Herzinfarkt, ein junges Mädchen wird ungewollt schwanger, ein Epileptiker hat einen Anfall und stürzt oder ein Diabetiker fällt ins Koma. Die Non-Adherence hat auch bedeutsame wirtschaftliche Konsequenzen, weil Therapien umgestellt oder Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Diese Kosten sind eigentlich unnötig und vermeidbar.
UrsachenDie Ursachen, weshalb Patienten die empfohlenen Massnahmen nicht einhalten und ihre Medikamente nicht entsprechend den notwendigen Schemata einnehmen, sind sehr vielfältig. Zu den Faktoren, welche eine Non-Adherence begünstigen, gehören unter anderem:
Individuelle Faktoren:
- Vorstellungen und Haltungen des Patienten, Sprachbarrieren
- Persönlichkeit, geringe Motivation, Suchtverhalten (z.B. Rauchen, Alkohol, Süssigkeiten)
- Alter, Erkrankungen, Behinderungen, Vergesslichkeit
- Praktische Probleme bei der Verabreichung
- Geringe soziale Unterstützung
- Tiefer sozioökonomischer Status
Therapie-bezogene Faktoren:
- Unerwünschte Wirkungen, ausbleibende Wirksamkeit
- Mangelndes Verständnis
- Komplexe Dosierung und Anwendung
- Polypharmazie
Gesundheitssystem:
- Arzt-Patienten-Beziehung, fehlendes Vertrauen
- Ungenügende Kommunikation
- Fehlende Krankenversicherung, hoher Selbstbehalt
Ebenso vielfältig wie die Ursachen sind die möglichen Massnahmen zur Förderung der Therapietreue. Dazu gehören:
- Umfassende Besprechung der Medikation, z.B. Einnahme, Hintergrund und Therapiedauer
- Offene Gespräche zwischen Patient und Medizinaperson zur Therapietreue (z.B. Polymedikations-Check)
- Engmaschige Begleitung, Nachsorgeangebot, Monitoring
- Hilfsmittel und Erinnerungshilfen, z.B. Dosiersysteme, Apps, SMS-Nachrichten, telefonische Nachrichten, Tagebücher
- Vereinfachung des Therapieplans, z.B. Verwendung eines Verhütungsrings statt oraler Kontrazeptiva
- Wechsel nicht verträglicher Medikamente
- Generika einsetzen, um die Kosten zu senken
- Kontrolle Medikamenteneinnahme (Formular, PDF)
- Vergessene Medikamenteneinnahme
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