Antihistaminika ArzneimittelgruppenAntihistaminika sind antiallergische Wirkstoffe, welche die Effekte der körpereigenen Substanz Histamin aufheben. Sie werden unter anderem bei Heuschnupfen, Nesselfieber, bei einer allergischen Bindehautentzündung, bei Hauterkrankungen, Schlafstörungen, Übelkeit, Erbrechen und Erkältungskrankheiten eingesetzt. Als Schlaf- und Beruhigungsmittel und bei Kindern sollten sie aufgrund möglicher unerwünschter Wirkungen zurückhaltend verabreicht werden. Vor allem ältere Antihistaminika können als unerwünschte Wirkung Müdigkeit auslösen.
synonym: H1-Antagonisten, H1-Antihistaminika, Antihistamine
ProdukteAntihistaminika werden häufig in Form von Tabletten eingenommen. Daneben stehen unter anderem auch Tropfen, Lösungen, Lutschtabletten, Kapseln, Gele, Cremen, Augentropfen, Nasensprays und Injektionslösungen zur Verfügung.
Als erster Wirkstoff aus dieser Gruppe wurde in den 1940er-Jahren Phenbenzamin (Antergan®) in Frankreich entwickelt. Es ist heute nicht mehr im Handel.
Struktur und EigenschaftenDie traditionellen Antihistaminika sind Alkylamine, Ethylendiamine, Phenothiazine und Piperazine. Heute sind auch Vertreter im Handel, die nicht zu diesen Gruppen gehören. Antihistaminika haben eine wichtige Rolle als Vorläufer für die Neuroleptika und die Antidepressiva gespielt.
WirkungenAntihistaminika (ATC R06 ) haben antihistamine, antiallergische, juckreizstillende und entzündungshemmende Eigenschaften. Sie sind teilweise zusätzlich:
- mastzellstabilisierend
- anticholinerg
- beruhigend und schlaffördernd
- antiemetisch gegen Übelkeit und Erbrechen
- antivertiginös gegen Schwindel
- proarrhythmisch, kardiotoxisch (Astemizol, Terfenadin, Verlängerung des QT-Intervalls)
Antihistaminika sind inverse Agonisten am Histamin-H1-Rezeptor, d.h. sie stabilisieren den Rezeptor in seiner inaktiven Konformation. Dadurch heben sie die Effekte von Histamin auf und lindern allergische Beschwerden. Antihistaminika sind also keine Histamin-Rezeptor-Antagonisten. Siehe auch unter Histamin.
Wirkmechanismus der Antihistaminika, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenZu den Anwendungsgebieten gehören:
- Allergische Erkrankungen
- Allergische Rhinitis, Heuschnupfen
- Allergische Bindehautentzündung
- Nesselfieber
- Histaminintoleranz
- Juckreiz
- Insektenstiche, Mückenstiche
- Erbrechen, Schwangerschaftserbrechen
- Erkältung
- Husten
- Reisekrankheit
- Schwindel
- Schlafstörungen
Wirkstoffe der ersten Generation sind im Allgemeinen nicht spezifisch für den H1-Rezeptor, sind anticholinerg, überqueren die Blut-Hirn-Schranke und gelangen ins Gehirn. Dort lösen sie zentrale Störungen wie Müdigkeit, Schläfrigkeit und Schwindel aus, weil sie mit zentralen Rezeptoren interagieren. Sie haben eine kürzere Wirkdauer als Antihistaminika der 2. Generation und müssen deshalb häufiger verabreicht werden. Antihistaminika der 1. Generation sind umstritten und sollen zurückhaltend und für einige Anwendungsgebiete gar nicht mehr eingesetzt werden:
- Bamipin (Soventol®, D)
- Chlorphenamin (z.B. Arbid®)
- Chlorphenoxamin (Systral®, D)
- Clemastin (Tavegyl®)
- Cyproheptadin (USA)
- Dimenhydrinat (Trawell®, weitere)
- Dimetindenmaleat-Tropfen (Feniallerg®), Dimetindenmaleat-Gel (Fenistil®)
- Diphenhydramin (Benocten®)
- Doxylamin (Sanalepsi®)
- Hydroxyzin (Atarax®)
- Ketotifen (Zaditen® Ophtha)
- Meclozin (Itinerol B6®)
- Mepyramin (Stilex®)
- Oxomemazin (Toplexil®)
- Pheniramin (NeoCitran®)
- Tripelennamin (Vetibenzamin®, für Tiere)
In der Schweiz nicht mehr erhältlich:
- Buclizin (Longifene®)
- Carbinoxamin (Rhinotussal®)
- Cyclizin (Marzine®)
- Dexbrompheniramin (Disofrol®)
- Dexchlorpheniramin (Polaramine®)
- Diphenylpyralin (Arbid Tropfen®, alte Formulierung)
- Promethazin (Rhinathiol Promethazin®, Broncatar®)
- Phenyltoloxamin (Codipront®)
Wirkstoffe der zweiten Generation sind im Allgemeinen spezifisch für den H1-Rezeptor und weniger dämpfend. Sie werden deshalb auch als „nicht-sedierende Antihistaminika“ bezeichnet, können aber seltener auch Müdigkeit auslösen. Sie überqueren die Blut-Hirn-Schranke nicht, sind spezifisch für den H1-Rezeptor und nicht anticholinerg. Sie haben zudem eine längere Wirkdauer von 12 bis 24 Stunden und müssen deshalb nur einmal täglich verabreicht werden.
- Bilastin (Bilaxten®, Generika)
- Cetirizin (Zyrtec®, Generika)
- Desloratadin (Aerius®, Generika)
- Fexofenadin (Telfast®, Telfastin®, Generika)
- Levocetirizin (Xyzal®, Generika)
- Loratadin (Claritine®, Generika)
Die folgenden Wirkstoffe sind in der Schweiz nicht oder nicht mehr auf dem Markt:
- Acrivastin (Semprex®, ausser Handel)
- Ebastin (Ebastel®, D)
- Mizolastin (Mizollen®, ausser Handel)
- Rupatadin
- Terfenadin (Teldane®, ausser Handel)
- siehe unter Antihistaminika-Augentropfen
- siehe unter Antihistaminika-Nasensprays
Dermatika:
- Dimetindenmaleat-Gel (Fenistil®)
- Clemastin (Tavegyl® Gel, ausser Handel)
- Mepyramin (Stilex®, Parapic®)
Antihistaminika-Augentropfen, Antihistaminika-Nasensprays, H2-Antihistaminika, Heuschnupfen, Allergische Bindehautentzündung, Urticaria, Histamin
Literatur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
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Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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